Theatertipps: Bühnen Halle

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EIN TRAUMSPIEL

Bühnen Halle 07.05.2022 | Die Oper von Aribert Reimann (*1936) hat als Vorlage August Strindbergs Drama 'Traumspiel' (1901). Es ist aber kein Drama im klassischen Sinn. Durch die Musik von Reimann werden eigenständige Szenen miteinander verbunden, die durch die Hauptfigur 'Indras Tochter' inhaltlich zusammengehalten wird. Die anderen Personen der Handlung kehren als andere wieder zurück; ihre Identitäten verschwimmen.

Der indische Gott Indra schickt seine Tochter auf die Erde, um die Klagen der Menschen in ihrer Welt zu überprüfen, die die gewaltige Bandbreite ihres Lebens offenbaren. Die Einheit der Zeit wird in den einzelnen Bildern aufgelöst. Es wird die große Frage gestellt, warum die Welt so ist wie sie ist; hinter einer verschlossenen Tür soll die Antwort liegen. Doch diese Frage kann nicht beantwortet werden; der Raum hinter der Tür ist leer, dort ist nichts. Indras Tochter kehrt zu ihrem Vater zurück.

Reimanns Gesangslinien bieten klangliche Schönheiten und nähern sich dem Sprechgesang; die Zwischenmusik zu den Bildern wirkt durch die 12-Ton-Kompositionstechnik opulent. Die Sänger müssen Höchstleistungen vollbringen. Je länger Aug und Ohr der Aufführung folgen, umso mehr ist man von der Musik fasziniert.

Keith Warner vollbringt mit seiner Inszenierung in der farbenfrohen Ausstattung von Kaspar Glaner Phantastisches. Wände und Türen öffnen sich und geben Raum für Projektionen. Möbelteile stehen am Bühnenhimmel Kopf und fahren Figuren in den realistischen und doch surrealen Raum.

Für die Sänger scheint es kein Problem zu sein, mit der Partiturvorgabe umzugehen, strahlende Koloraturen mit extremen Höhen wechseln sich ab mit tenoralen Kantilenen, so daß vom großen großartigen Ensemble jeder Sänger gelobt werden muß. Ks. Anke Berndt ist Indras Tochter mit leuchtendem Sopran, die vom Offizier begleitet wird. Michael J. Scott löst das mit seinem sicher geführten Tenor exzellent, ebenso wie Levent Bakirci mit seinem großen kräftigen Bass-Bariton als Advokat, den Indras Tochter heiratet und Nachwuchs schenkt.

Andreas Beinhauer ist der Dichter, der mit seinem hohen Bariton die schönsten Legatolinien ertönen läßt. Da versteht man, daß Aribert Reimann dies für Dietrich Fischer-Dieskau komponiert hat. In Halle wird das bestens umgesetzt.

Michael Wendeberg leitet die Staatskapelle Halle klangvoll und souverän und wird vom wohlklingenden Chor unterstützt. Das Publikum bedankt sich zu Recht mit kräftigem Beifall bei allen Mitwirkenden. Es ist eine mehr als sehenswerte Aufführung, wenn man bedenkt, daß nach der Uraufführung 1964 Halle die 4.Inszenierung des Werks präsentiert.


RIGOLETTO

10.04.2022 | Die Oper Halle hat mit Verdis Rigoletto bewiesen, welche hochwertigen Leistungen von Sängern und Orchester dort möglich sind.

Mit Levent Bakirci verfügt das Haus über einen herausragenden Sänger, der mit intensivem Spiel und klangvoller Bass-Bariton Stimme die Titelrolle außergewöhnlich exzellent verkörpert. Die große, tiefgründige Stimme konnte die Nöte und Leiden des Hofnarren eindrucksvoll erzeugen und das Publikum zollte ihm Lob mit großem Zwischen- und Schlußbeifall.

Mit Alina Adamski hatte Rigoletto eine Tochter zu Seite, die dem Vater in nichts nachstand. Es war eine Wonne, wenn ihr großer lyrischer Sopran aufblühte. Da wurde kein Spitzenton mühevoll erreicht. Ihr geschickt mädchenhaft geschneidertes Kostüm mit sehr hoher Taille läßt vermuten, daß die Sängerin privat Hoffnung hegt. Umso mehr wäre für sie ein Lob für ihre Gilda-Gestaltung angebracht.

Den Herzog von Mantua gestaltet Chulhyun Kim mit großem ansprechenden Tenor. Kleine Unebenheiten konnte man ihm schnell verzeihen.

Johannes Stermann als Sparafucile bringt mit seiner großen, klangvoll tiefen Bass-Stimme alles mit, was man für diese Rolle benötigt. Da freute man sich auf seine wenigen Auftritte.
Yulia Sokolik als Maddalena konnte mit ihrem hohem Mezzo eine klangvolle Verführerin des Herzogs sein.

Aber auch die anderen Personen der Handlung waren hören- und sehenswert. Romelia Lichtenstein bot mit ihrem großen klangvollen, lyrischen Sopran auch die notwendige Tiefe für die Aufseherin Giovanna.
Ki-Hyun Park als Monterone bot bei seinem ersten Auftritt mit seiner großen und kräftigen Bass-Stimme starke Präsenz. Warum er durch den Zuschauerraum kommen durfte, blieb ein Rätsel der Regie.

Regie führte Louisa Proske und erzählte die Geschichte als Erinnerung von Rigoletto. Das Bühnenbild von Jon Bausor ermöglichte durch einen schwarzen, drehbaren Plastikvorhang schnelle, variable sinnvolle Auftrittsmöglichkeiten. Öffnete sicher der Vorhang, waren Aufbauten für die Treppe beim Herzog oder Rigolettos und Sparafuciles Container-Haus zu sehen. Das Konzept ermöglichte aber keine schnellen Umbauten - im Gegenteil. Das Publikum nahm Anteil an den geräuschvollen Arbeiten.

Die Staatskapelle Halle unter der musikalischen Leitung von José Miguel Esandi spielte sicher auf und lies die Partitur auch mit forschen Tempi erglühen. Kaum wurde die Sängerleistung auf der Bühne dadurch übertönt. Der Herrenchor des Hauses, mit dem Herren-Extrachor verstärkt, bot eine saubere Gesangsleistung; oft wurden sie dank der Partitur durch Marullo (Andreas Beinhauer) und Borsa (Robert Sellier) unterstützt.

Das Publikum bedankte sich vor allem zum Schluß mit großem Beifall, ehe es in den sonnigen Spät-Nachmittag entlassen wurde.


MANRU

19.03.2022 | Die einzige Oper des gefeierten Konzertpianisten Ignacy Jan Paderewski war das Erfolgsstück des Jahres 1901 und wurde in deutscher Sprache an der Dresdner Hofoper uraufgeführt und sensationell gefeiert. Mit der polnischen Übersetzung 10 Tage später gab es einen schnellen internationalen Siegeszug dieses nun auch als polnische Nationaloper gefeierten Werkes. Aus politischen Gründen, Paderewski betreibe antipreußische Propaganda, fand dieser Ruhm ein ebenso abruptes Ende.

Die Oper in Halle hatte den Ehrgeiz, dieses Werk 121 Jahre nach der Uraufführung in deutscher Sprache auf den Spielplan zu bringen; der Erfolg gab ihr recht und es ist einer sensationellen Ausgrabung gleichzusetzen. Die Geschichte ist eine Mischung aus Gesellschafts- und Ehedrama. Titelheld Manru ist Erumanel-Zigeuner und hat bei der Tatra-Bäuerin Ulana eine feste Bleibe gefunden; eine Tochter bindet das Eheleben. Manru wird aber von der Dorfgemeinschaft abgeleht; Ulanas Mutter Hedwig nimmt ebenfalls Stellung gegen den Schwiegersohn.

Die Vergangenheit holt Manru durch Asa wieder ein. Seine ehemalige Geliebte sieht in ihm einen neuen Anführer der Eurmanels. Er folgt diesen Ruf und verläßt Frau Ulana und Kind; ein bitteres Ende folgt.

Regisseurin Katharina Kastening entwickelt in der neutralen Ausstattung mit von Gideon Davey eine präzise Erzählweise und Personenführung. Doch aus dem ethnischen Grundkonflikt zwischen sesshaften Bauern und reisenden Nomaden wird zu wenig erarbeitet, gibt es aktuell doch entsetzliche Bezüge, auf die man sich beziehen müßte. Die Kostüme sind zumindest der Jetztzeit zugeordnet.

Die Musik des 'polnischen Puccini' wird unter der Leitung von Michael Wendeberg von der Staatskapelle Halle bestens klangvoll mit slawischen und romantischen Klängen interpretiert.

Den Handelnden wird mit großen Partien auch musikalisch einiges abverlangt. Manru wird von Thomas Mohr verkörpert; seine heldentenorale Stimme glänzt schon bei seinem ersten Auftritt.
Ulana, die vor allem zu Beginn die bestimmende Figur des Geschehens ist, wird durch die hauseigene Kammersängerin Romelia Lichtenstein gestaltet. Ihr leuchtender Sopran läßt die Musik von Paderewski erstrahlen. Beider Liebesduett erinnert an ein Dresdener Vorbild des Komponisten.

Sensationell in Stimme und Spiel ist Levent Bakirci als Urok. Er ist der Vermittler zwischen beiden Lagern und auch Ulana nicht abgeneigt. Nachdem Manru Frau und Kind verlassen hat, rächt Urok Ulana und ersticht Manru. Levent Bakrici gestaltet diese Rolle mit großem, klangvollen Heldenbariton und starkem Ausdruck und ist eine Hauptfigur im Geschehen.

Ebenso makellos in Stimme und Spiel ist Gabriella Guilfoil als Mutter Hedwig mit ihrem dramatischen Mezzosopran. Auch bei ihrer Rolle merkt man, daß der Komponist von Richard Wagner beeinflußt wurde.

Andrew Nolen durfte drei Tage vor der Premiere sich auf die Partie des Jagu vorbereiten. Von der Seite sang er mit noblem Bass vom Blatt, während der Regie-Assistent die Rolle spielte, was grundsätzlich eine der Lieblingsbeschäftigungen von Assistenten ist. Die weiteren Vorstellungen wird Andrew Nolen wohl auch die Rolle spielen.

Nach über drei Stunden Spielzeit mit zwei Pausen feierte das Publikum im ausverkauften Opernhaus Chor, Solisten und Orchester mit starkem Applaus. Nachdem auch die die politische Gäste den Abend würdigen durften, wurde das Publikum gegen 23h00 entlassen, zu dem Weg nach Hause oder zur Premierenfeier.


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