Theatertipps: Theater Hagen

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DER GRAF VON LUXEMBURG

26.10.2019 | Lehars berühmte Operette steht und fällt bei der Bühnenrealisierung mit einem gut disponierten Ensemble und einer 'Walzer seligen' und schmissigen Orchesterbegleitung.
Aber auch die Inszenierung der meist verwirrend lustigen Geschichte ist für die heutige Zeit problematisch, wenn man bedenkt, daß die Zeit der Entstehung des Werkes über 100 Jahre her ist.
In allen Punkten zeigte das Theater Hagen bei der Neuproduktion eine mehr als 'glückliche Hand'.

Die Inszenierung von Roland Hüve führt den Zuschauer in einen phantasievollen Raum mit farbigem Hintergrund, den Siegfried E. Mayer entwarf (Bühnenbild und Kostüme). Auf einer Mondsichel träumt René von der Welt, während die dortigen Leute in farbigen Karnevalskostümen feiern.
Im ersten Bild dominiert ein großes Gemälde mit dem Eiffel-Turm und Laternen den Raum. Ein roter Theatervorhang drapiert das linke Portal. Sitzmöbel und ein Tisch ergänzen die Handlung je nach Bedarf.
Ein Blick hinter die Kulissen der Theaterwelt wird gezeigt, als die Operndiva Angèle Didier sich zum letzten Mal als Tosca in die Tiefe stürzt.
Sich nach hinten verjüngend aufgestellte Hoteltüren und ein Empfangspult reichen aus, um für das letzte Bild einen realistischen Ort anzudeuten. Alles wirkt großzügig, bestens bespielbar und schön bunt.
Das Liebespaar René und Angèle schweben gemeinsam verliebt in der Mondsichel in den Bühnenhimmel und verbringen wohl eine geraum Zeit auf dem Schnürboden miteinander?

Diese stilisierten Räume reichen aus, um mit viel Charme die Geschichte vom Graf von Luxemburg zu erzählen. Die Dialoge sind nur eine erklärende Verbindung zwischen der wirklich schön interpretierten Musik von Franz Léhar. Die schauspielernden Sänger leisten das mit bravouröser Leichtigkeit. Die Dialoge sorgen dafür, daß der Zuschauer die Handlung versteht und auch schmunzeln kann; der Gesang zeigt die Gefühle.

Kenneth Mattice ist der Graf von Luxemburg. Seine elegante Erscheinung und sein federleichtes Spiel wird gekrönt durch seine immer schön klingende, helle Baritonstimme; das ist eine Paraderolle für ihn.
Angela Davis mit großer Sopranstimme ist Angèle Didier, die den Grafen heiratet, nur um an den Adelstitel zu kommen, während René auf diesen Handel eingeht, nur um wieder an Geld zu kommen - aber da spielt ja später noch die Liebe mit. Allein die Auftritte beider gehören zu den Höhepunkten der Aufführung.

Oliver Weidinger, mit großer Tenorstimme auch in den Höhen, ist Fürst Basil Basilowitsch, der eigentlich diese Heirat vorbereitet hat und den Graf von Luxemburg bezahlt. Bei jedem Auftritt beherrscht er die Szene und er akzeptiert zuletzt auch, daß seine alte Flamme Stasa (Marilyn Bennett) sein Spiel um die Operndiva durchkreuzt und ihre alten Rechte durchsetzt.

Mit Cristina Piccardi als Juliette und Richard van Gemert als Maler Armand ist das zweite Liebespaar exzellent präsent. Da freut man sich immer, wenn Renés Freund Armand quirlig und manchmal hilflos durch die Situationen eilt.

Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Rodrigo Tomillo. Das Philharmonische Orchester trumpft schmissig auf, begleitet elegant die Szenen. Der mit dem Extrachor vergrößerte Hauschor (Wolfgang Müller-Salow) ist Garant für eine schwungvolle Aufführung. Mitglieder des Chores sind für kleinere Rollen in Stimme und Spiel bestens eingesetzt.

Eric Rentmeister gibt mit seiner Choreographie den perfekten Schwung für einige Mitglieder des Hagener Balletts; vor allem nach der Pause gestaltet das Ballett mit einer Einlage einen weiteren optische Höhepunkt.

Das Publikum im nicht ausverkauften Theatersaal amüsierte sich prächtig und bedankte sich zu Recht mit kräftigem Beifall. Das wird sich nach den Herbstferien schnell herumsprechen, welch prächtigen Wiener Operettenabend man auf der Hagener Bühne erleben kann.


TRISTAN UND ISOLDE

10.6.2019 | Wagner hat sein Werk 'Handlung in drei Aufzügen' genannt und wollte so die bekannten Begriffe wie Oper, Drama vermeiden. Auch in der musikalischen Realisation entwickelte er einen neuen Weg.

Musikalisch und szenisch ist die Deutung dieses Werkes im Theater Hagen auf hohem Niveau gelungen. Wagners 'Handlung' ist eine 'innere Handlung' und diese hat das Inszenierungsteam auch optisch phänomenal umgesetzt. Die Bühne von Wolf Gutjahr zeigt sechs Räume auf zwei Etagen, in denen sich die Personen der Handlung jeweils allein aufhalten. In der Inszenierung von Jochen Biganzoli leben Tristan und Isolde -und die anderen handelnden Solisten- jeder für sich ihre Gefühle in ihrem Raum aus. Da wird emotional die Beziehung zu der anderen Person aufgebaut - ist aber allein; jeder bewegt sich unbeobachtet und kann das durchaus stark ausleben.
Die Kostüme von Katharina Weissenborn sind realistisch gehalten.

Tristan lebt links oben in einem grellen, silbern gehaltenen Raum mit Neon-Licht in weißer Kleidung; auf der Hinterwand hängt zu Beginn sein riesiges Portrait. Mit roter Farbe bemalt er die Wände, die später auch sein Blut wird. Im Gegensatz zu ihm befindet sich Isolde rechts unten im schwarzen Raum mit schwarzem Kleid; die Wände beschreibt sie mit Texten von Emily Dickinson. Ihr Raum wird von schmalen Neonleisten umrahmt.

Rechts oben neben Tristan in etwa fünf Metern Höhe hat es sich Marke mit Tapeten, Bett und Kleiderhaken gemütlich gemacht und wartet und wartet... Links außen unter Tristan hat es sich Brangäne in einem Art Badezimmer eingerichtet und verwaltet großzügig die Getränke.
Zwischen Isolde und Brangäne ist ein weißer schmaler Raum für die Vertreter der Kunst: Melot, Seemann und Steuermann agieren im Frack; das Englischhorn im dritten Akt wird von dort gespielt.
Ganz rechts außen wirkt Kurwenal in militärischem Kampfanzug auf schmalem Raum auf drei Etagen. Dort tapeziert er alles mit seinen und Tristans Portraits zu.
Bis auf die Vertreter der Kunst sind die Handelnden seit Beginn zu sehen und leben in ihrem Raum vor sich hin.

Zu ihrem Mahnruf im zweiten Aufzug bewaffnet sich Brangäne mit einer Taschenlampe und verläßt ihr Domizil. Draußen hat sie aber mehr erlebt als die nahende Gefahr; sie kommt zerzaust zurück, betrinkt sich und legt sich in der Badewanne zur Ruh.

Jeder stirbt für sich seinen eigenen Tod, so der Steuermann, Hirt, Seemann, Melot. König Marke will sich erst mit seinem Gewehr erschießen, entscheidet sich zum Schluß aber für die Chemie. Brangäne stirbt durch ihr auch außerhalb geführtes exzessives Leben.
Bei deren Tod verschwinden die Rückwände der einzelnen Räume; im Schatten der Toten sieht man das helle Licht des Todes.

Isoldes schwarzer Raum verschlingt im Liebestod die Sterbende; die Neonleisten blenden und verhindern die Sicht. Die anderen Toten stehen im hellen Todeslicht wieder auf und warten...

Das Philharmonische Orchester Hagen unter der Leitung von Joseph Trafton spielt höchst engagiert und nahezu fehlerfrei und läßt Wagners Partitur in leisen oder dramatischen Momenten aufblühen. Die Stimmen der Sänger sind immer präsent und werden nicht übertönt. Die geschlossenen Räume helfen bei der Akustik, die den gesungenen Ton nicht in die weiten der Bühnentiefe lenken.

Magdalena Anna Hofmann ist eine glutvolle Isolde mit großer Stimme, die auch in der Mittellage glänzen und ihren Sopran voll erstrahlen lassen kann. Vielleicht hätte ich mir ihr Wiedersehen mit Tristan im dritten Akt 'ich bin's, süßester Freund' weniger dramatisch, sondern verhaltener gewünscht.

Zoltán Nyári bietet mit seiner großen Stimme einen idealen Tristan, der an keiner Stelle Probleme mit der Partie zu haben scheint. Bei ihm hat man nie das Gefühl, daß er sich irgendwann zurückhält, um auch die dramatischen Passagen des dritten Aktes zu erfüllen. Seine schöne Tenorstimme erstrahlt immer wunderschön; im Duett des zweiten Aktes ist es eine wahre Freude, wenn sich sein Gesang mit dem der Isolde vereint.

Mit großer Stimme und schönem Bariton kann Wieland Satter als Kurwenal besonders im dritten Akt überzeugen.
Khatuna Mikaberidze bietet mit ihrer kraftvollen Mezzo-Stimme eine engagierte Brangäne. Wunderschön ist ihre Rollenstudie, wenn sie das Elend ihres Lebens zeichnet.
Daniel Jenz darf meistens im Frack als junger Seemann und Hirt nur gut aussehen und adäquat singen. Das gelingt ihm mit seinem lyrischen Tenor vorbildlich.

Das Publikum zeigte sich zu Recht begeistert und bedankte sich bei allen Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall. Das Theater Hagen hat spannendes Musiktheater von internationalem Rang geboten.


PARISER LEBEN

26.4.2019 | Das reale Pariser Leben wurde 1866 von Jacques Offenbachs schmissiger Musik und ironischem Witz notiert. Es ist eine Opéra bouffe und gilt als Gegenstück zur Fledermaus.

Die Geschichte des schwedischen Baron von Gondremark und dessen Ehefrau, der das Pariser Flair mit allen seinen Facetten genießen möchte, von Offenbachs Zeit in die heutige zu übertragen, ist schon eine Aufgabe für sich, die das Theater Hagen aufs Allerbeste realisiert.

Die Dreh-Bühne von Lena Brexendorff zeigt ein Paris mit zwei Seiten, mit ärmlicher Behausung in bescheidenen Betonbauten, in denen sich die Schweden verirren. Das Anwesen von Mme Quimper-Karadec ist umso feudaler ausgestattet. Wo eine Steckdose fehlt, machte der DJ sich Strom mittels eines Fahrrad-Hometrainers.
Im Hintergrund sieht man in der Ferne Paris mit den ersehnten Zielen. Gut, daß die Ansicht von Notre-Dame nicht aktualisiert wurde.

Unter der musikalischen Leitung von Rodrigo Tomillo spielte das Philharmonische Orchester Hagen perfekt schmissig auf und ließ die feinsten Nuancen wunderschön erklingen. Ergänzt wurde Offenbachs Musik mit Rock-Einlagen, die so gar nicht fehl am Platz waren; denn die Geschichte wurde in die heutige Zeit verlegt. Cancan, Rataplans, Märsche und glückselige Walzer treiben die Musik und die Handlung in fesselnder Weise voran.

In der Inszenierung von Holger Potocki wurden die Dialoge für den heutigen Sprachgebrauch umgeschrieben und es wirkte überhaupt nichts übertrieben. Alles war logisch in einer Geschichte, wo wohlhabende Touristen von armen Einheimischen, die sich als 'Bessere' verkleiden, prächtig ausgenutzt werden; da ist ein Handy klauen nur Nebensache.

Das große Hagener Ensemble war in bester Spiellaune; es sprudelte nur von Wortspielereien. Andrea Danae Kingston sorgte mit ihrer Choreographie bei Ballett, Solisten und Chor für Schwung und Elan.

Alle Sänger zeigen sich auch in musikalischer Höchstform; Offenbach fordert den Solisten einiges ab, was von dem Hagener Ensemble sicher eingelöst wurde.
Kenneth Mattice ist ein junger Baron von Gondremark mit klangschöner Baritonstimme und strahlender Erscheinung. Ihm adäquat zur Seite als Baronin verwirrt Veronika Haller die Pariser Halbwelt mit sauber geführtem Sopran.

Richard van Gemert ist der ideale Strippenzieher und sympathische Verführer Raoul de Gardefeu, der neben seiner durchschlagenden Stimme sein enormes Spieltalent einsetzen konnte.

Die Tenorpartien sind mit Boris Leisenheimer (Brasilianer + Jean Frick) und Stephan Boving (Bobinet) ideal besetzt; sie sind mit ihren sicher geführten Stimmen Garanten in dem hochwertigen Ensemble.

Maria Klier als Pauline, Sophia Leimbach als Metella und Elisabeth Pilon als Clara boten mit ihren ansprechenden Sopranstimmen und sympathischem Spiel weitere Glanzpunkte.

Ein weiterer Höhepunkt ist die Figur der so gar nicht komischen Alten Mme Quimper-Karadec, die Marilyn Bennett souverän mit großer Stimme und perfekter Figur spielt; ihr zur Seite ist Thorsten Pröhl als perfektes Schoßhündchen Gonzo mit seiner muskulösen Figur, den sich zum Schluß Metella angelt.

Ein großartig gestaltetes Finale entläßt das Publikum im vollen Theater-Saal mit dem Gefühl, etwas verpaßt zu haben, hätte man die Vorstellung im Theater Hagen nicht besucht. Mit stürmischen Beifall wurden alle Mitwirkenden belohnt. Wer noch nicht drin war, sollte auf jeden Fall diese Aufführung besuchen.


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