Theatertipps: Theater St. Gallen

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EL CID

Im Sommer ist in der Theaterwelt Open-air-Saison. Nahe der Bodensee-Bühne in Bregenz, wo zur Zeit die Turandot-Dekoration nasse Füße bekommt, gilt es im nahen schweizerischen St.Gallen wieder, anläßlich der Festspiele eine Freiluftoper aufzuführen. Dort auf dem wunderschönen Klosterhof stand Massenets wenig gespielte Oper "Le Cid" auf dem Plan, realisiert von dem Theater St.Gallen. Dieser geschichtsträchtige Ort mit dem eindrucksvollen Kloster -ein Weltkulturerbe- im Hintergrund, ist geradezu prädestiniert für eine Open-air-Aufführung. Die Gebäude herum schützen die Aufbauten vor allem vor stürmischen Winden. Den dekorativen Hintergrund bilden die beiden Türme des Klosters. Eine Zuschauertribüne und die Theaterbühne mit aller Technik wird einfach auf dem Innenhof aufgebaut. Der Regen kommt von oben.
Die Verantwortlichen schauten in die Geschichte des Ortes und man wurde fündig bei Massenets Oper "Le Cid" als Klammer des Geschehens auf der Bühne und den Ort
Das Sinfonieorchester St.Gallen spielte unter der Leitung von Modestas Pitrénas neben der Bühne im benachbarten Gebäude. Dank einer meist gut funktionierenden Tontechnik gab es eine mehr als achtbare akustische Realisierung für den Besucher; die Sänger hatten Microports. Der kleine aber feine Prager Philharmonische Chor sang aus dem 'off' dazu, eher er die Weiterreise nach Bregenz antritt. Auf der Bühne agierte der Chor des Theaters, verstärkt durch den Theaterchor Winterthur.
Die Hauptrollen wurden doppelt besetzt, was grundsätzlich bei einer Aufführungsserie klug ist. Mary Elizabeth Williams sang zur Premiere die Chimène mit schön gefärbten aber auch großen Sopran, setzte diese französische Partie auch spielerisch eindrucksvoll um und war Maßstab für manch anderen auf der Bühne. Jennifer Maines sang nach und konnte ihren kräftigen Sopran wirkungsvoll einsetzen. Stefano La Colla setzte seinen großen Tenor mit lyrischem Timbre für die Titelrolle des Rodrigue wunderbar ein. Kollege Derek Taylor glänzte vor allem bei den heldischen Stellen und machte immer eine 'bella figura'.
Die etwas kleine Partie der Infantin teilten sich Evelyn Pollock und Magdalena Risberg. Beide setzten ihren unterschiedlichen Sopran gleichwohl sicher und schön ein, Evely Pollock aus St.Gallen eher dramatisch, Magdalena Risberg aus Luzern eher lyrisch.
Im Ensemble fiel vor allem Tomislav Lucic als König mit seinem schön klingenden, vollen, durchsetzugsfähigen Bass auf. Aber auch die kleinsten Rollen waren bestens besetzt, wie z.B. Nik Kevin Koch als Don Arias.
Szenisch war es durchaus schwierig, diese nicht nur auf Massenszenen setzende Geschichte auf einer Freilichtbühne zu inszenieren. Regisseur Guy Joosten hatte sich für seine Realisierung Franc Aleu für die Videoprojektionen dazu geholt. Alfons Flores baute vor den Klostertürmen eine Schräge.
Vorn konnte der Chor geschickt in einem 'Graben' sich aufhalten, wurde er auf der Hauptbühne nicht gebraucht. Zwei Türme links und rechts symbolisierten die rivalisierenden Familien der Geschichte. Schade, daß sich deren Konstruktion nicht von den Metallstangen der Beleuchtungsbrücken unterschied. Diese Türme konnte sich unmerklich nach vorn oder hinten positionieren, was dem Regisseur mehr Möglichkeiten gab, die Bewegung von Solisten und Chor zu ordnen. Die Personenführung war durchaus klar, verzichtete auf zu kleine Feinheiten, was auch auf dieser großen Bühne nicht sinnvoll gewesen wäre. Klare Zuordnungen erklären das Geschehen; trotzdem haben mir die Übertitel gefehlt. Aber man kann nicht alles haben.
Mit wachsender Dunkelheit kam auch das Licht von Alfons Flores mit seinen Effekten -auch auf den Seitengebäuden- zur Geltung; er verzichtete auch darauf, immer die Sänger voll ausleuchten zu müssen.
Besonders stark beeindruckend waren die häufig wechselnden, erklärenden Videoprojektionen von Franc Aleu, die auf die im Hintergrund befindlichen Türme des Klosters eingesetzt wurden. Kerzen, Tränen oder ein reitender El Cid waren auch atmosphärisch sehr wirkungsvoll; für mich ein Höhepunkt war der Eindruck, daß diese Türme und damit das ganze Gebäude zusammenfielen, um später wieder aufgerichtet zu werden.
Für die Besucher ist dies alles ein optisches und musikalisches Ereignis, auf das man sich in dieser Form schnell und gern einließ. Nach 110 Minuten verließ man den Ort des Geschehens mit dem Gefühl, bei etwas Besonderem dabei gewesen zu sein. Allein dafür lohnt sich eine Reise nach St.Gallen zu den 11.St.Gallener Festspielen, die mit dieser Produktion am 24.6.2016 eröffnet wurden. Warmes und regenfreies Wetter seien Guy Joosten und seinem produktiven Team gewünscht, damit die Besucher diese Arbeit mit starkem Beifall belohnen.


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