Theatertipps: Theater an der Wien
EURYANTHE
12 - 2018 | Im Kärtnertor-Theater zu Wien erlebte die erste große deutsche romantische Oper 1823 seine Uraufführung. Der damalige Intendant leitete auch das Theater an der Wien, an dem Beethovens Fidelio das Licht der Operbühne erblickte. Euryanthe von Carl Maria von Weber, bewußt wurde hier auf Dialoge verzichtet, galt Richard Wagner als Vorbild für sein Schaffen.
Unverständlicher Weise wurde Webers romantisches Singspiel "Der Freischütz" fester Bestandteil im Repertoire internationaler Bühnen, aber nicht dessen Werk Euryanthe. Die Geschichte aus der romantischen Ritterwelt schien auch zu krude.
Nahezu 200 Jahre später gab es am Theater am Naschmarkt in Wien eine sensationelle Neuinszenierung. Constantin Trinks leitet sicher das ORF Radio-Symphonieorchester; Christof Loy ist verantwortlich für die Inszenierung und sorgt mit spannender Personenführung für einen packenden Abend, an dem die musikalische Realisierung adäquaten Anteil hat.
Das Bühnenbild von Johannes Leiacker verzichtet nahezu auf jegliche romantische Hinweise. Ein großer heller Raum mit viel Licht durch Fenster von oben und der linken Seite schließt in der Tiefe ab mit einer Tür, die geöffnet im Hintergrund einen Blick auf ein weiteres helles Fenster zuläßt; steht dort jemand mit wallendem Gewand, wirkt das sehr romantisch. Nur ein Bett, um das geht es meistens, und ein Flügel stehen auf der Spielfläche. Da lenkt nicht viel ab von Liebe, Hass, Intrigen und Staats-Räson. Hier gelingt eine genaue Personendarstellung. Die eleganten Kostüme von Judith Weihrauch kommen auch beim Chor zur Geltung.
Bereits in der Ouvertüre wird szenisch gezeigt, um was es grundsätzlich geht. Adolar liebt Euryanthe und lehnt gleiches Ansinnen von Eglantine an ihn ab. Lysiart betrachtet das Geschehen zunächst anteillos; das ändert sich aber später, als er mit Adolar wettet, Euryanthe sei untreu. Dank Eglantine gewinnt Lysiart diese Wette, bekommt Adolars Besitz und Eglantine als Frau, während Euryanthe verstoßen wird. Doch es gibt noch den König, der alles zu einem glücklichen Ende führt.
Eine auf das Zusammenspiel der handelnden Personen zugeschnittene Regie funktioniert nur, wenn die Mitwirkenden umsetzen können, was angedacht ist. Das gelang ausgesprochen stark. Jacqueline Wagner ist eine Euryanthe, die im Spiel diese Ideen umsetzt; dazu kommt, das sie eine großartige Sopran-Stimme für diese Partie verfügt, die lyrische und dramatische Momente wunderschön erklingen läßt.
Andrew Foster-Williams ist Lysiart. Dessen große Baritonstimme und Spiel verstehen es, alle dramatischen und lyrischen Stellen eindrucksvoll zu gestalten. Dazu kommt für ihn ein für Österreich unüblicher Regieeinfall; splitternackt gestaltet er seine Arie. Das lenkt aber nicht ab, sondern unterstützt die Intention der Situation.
Norman Reinhardt ist Adolor. Dessen lyrischer Tenor entwickelt sich im Laufe des Abends immer stärker, hat er doch leichte und dramatische Momente zu gestalten. Theresa Kronthaler ist Eglantine, die ihren dramatischen Sopran wunderbar zur Gestaltung als Gegenspielerin und falschen Freundin von Euryanthe sicher und gefühlvoll einsetzen kann.
Stefan Cerny als König setzte seinen sehr kräftigen wohlklingenden Bass wirkungsvoll ein.
Eine spannende Szene und eine klare, deutliche musikalische Realisierung des großen Klangkosmos' von Karl Maria von Weber durch Chor, Orchester und Solisten sorgen dafür, daß diese Aufführung im Theater an der Wien Beispiel für eine Aufführungs-Renaissance in der Opernwelt sein wird.
ALCINA
9-2018 | Freunde der Barockoper kamen bei Händels Alcina voll auf ihre Kosten. Musikalisch auf hohem Niveau präsentierte das Opernhaus am Wiener Naschmarkt unter der Leitung von Stefan Gottfried das 'Dramma per musica' aus dem Jahre 1735. Für die Regie zeichnete Tatjana Gürbaca verantwortlich.
Marlis Petersen gestaltete gefühlvoll mit warmen Sopran die Titelrolle. Vor allem aber Katarina Bradic mit ihrem klaren Sopran setzte positive Aspekte in Stimme und Spiel, ebenso wie Mirella Hagen mit ihrem leichten Mezzosopran als Morgana.
Unter den männlichen Darstellern war der Countertenor David Hansen auffallend positiv. Seine optisch männliche Figur stand im Gegensatz zur immer sauber und schön geführten Stimme und er machte so die Figur des Ruggiero besonders interessant. Der Star des Publikums war der Jugendliche Christian Ziemsky als Oberto mit sauberen Knabensopran.
Tatjana Gürbaca erzählte im Bühnenbild und den Kostümen von Katrin Lea Tag die Geschichte von der Liebeszauberin auf einer Felsenlandschaft, die sich Dank der Drehbühne vor einem schönen Landschaftshorizont fleißig drehte; so wurde versuchte, die verwirrende Geschichte von den Liebenden zu verdeutlichen. Dank David Hansen entwickelte sich auch im Verlauf der Geschichte einiges an spannenden Situationen.
Das auf Barockmusik eingestimmte Publikum geizte nicht mit Beifall, der auch dem sauber aufspielenden Begleitorchester 'Concentus Musicus Wien' und dem im Theater an der Wien oft eingesetzten 'Arnold Schönberg Chor' galt.
DIE RING TRIOLOGIE
12|2017| Die Theaterleitung bickt zu recht voller Stolz auf das geschichtsträchtige Haus am Naschmarkt, wo neben vielen Komponisten wie Beethoven auch Richard Wagner an diesem Ort wirkte.
Vor allem der nur 60 Musiker fassende Orchestergraben setzt natürlich unüberhörbare Grenzen und man wollte doch heuer Wagners Ring auf die Bühne bringen, mit welchen Kompromissen auch immer.
Musikalisch entschied man sich für die kleinere Orchesterbesetzung (s.o.) von Alfons Abbass. Szenisch wurde aus Wagners "Der Ring des Nibelungen" mit einem 'Vorspiel und Drei Tagen' jetzt in Wien "Die Ring Trilogie" an drei Tagen mit den Titeln: Hagen, Siegfried, Brünnhilde. Der jeweilige Tag sollte Teile der Geschichte aus deren Blickwinkel erzählen; beginnend immer szenisch mit Siegfrieds Ermordung.
Text und Musik blieben von Richard Wagner; diese als Uraufführung präsentierte Fassung wurde von Regisseurin Tatjana Gürbaca, der Dramaturgin Bettina Auer und dem musikalischen Leiter Constantin Trinks in einer neuen Szenenfolge erarbeitet. Es gab aber die bekannten Situationen mit der dazugehörigen Musik in einer anderen Reihenfolge; Anton Safronov gestaltete einige musikalischen Übergänge neu:
HAGEN
I.Akt | Auszüge aus
- Götterdämmerung II_1 |
Alberich-Hagen
- Das Rheingold 1. Szene |
3 Rheintöchter - Alberich
- 3. Szene | Alberich-Mime
Wotan-Loge
- 4. Szene_Beginn |Alberich-
Wotan-Loge
II.Akt | Auszüge aus
- Götterdämmerung I_1 |
Hagen, Gunther, Gutrune,
Siegfried
- II_2 bis 5 | Hagen, Gunther,
Gutrune, Siegfried,
Brünnhilde
SIEGFRIED
I.Akt | Auszüge aus
- Siegfried I_ 1 |
Mime, Siegfried
- Die Walküre I_ 1 bis 3|
Sieglinde, Siegmund, Hunding
II.Akt | Auszüge aus
- Die Walküre | II_ 1+5| Sieglinde,
Siegmund, Wotan, Hunding,
Brünnhilde
- Siegfried | I_ 3| Siegfried, Mime
II_2 |Mime, Siegfried, Fafner
II-3| Mime, Siegfried, Waldvogel
III.Akt | Auszüge aus
- Siegfried | II_3 + III_2 |
Wotan, Siegfried
III_3| Siegfried, Brünnhilde
BRÜNNHILDE
I.Akt | Ausschnitte aus
- Die Walküre III_ 3 |
Wotan - Brünnhilde
- Götterdämmerung Vorspiel |
Brünnhilde - Siegfried |
Orchester-Zwischenspiel
II.Akt | Ausschnitte aus
- Götterdämmerung I_3|
Brünnhilde, Waltraute, Gunther
als Siegfried, Siegfried
II_ 4| Gunther, Siegfried, Hagen
Brünnhilde, Gutrune, Mannen
III. Akt |
- Götterdämmerung | III.Akt
Auf der einen Seite mußte das Leitungsteam aus der fast 16-stündigen Handlung mit Musik eine spielbare Fassung für 3 Abende machen. Szenen und Akte wurden umgestellt oder nahezu ganz gestrichen. Auch in den gespielten Teilen gab es manchmal überraschende Striche, als ob man noch ein Paar Minuten sparen wollte. Damit die neu zusammengestellten Passagen aneinander musikalisch sich verbanden, gab es einige mit Wagner-Fragmenten versehene neue Musikteile, die auf das gewohnte Ring-Gehör manchmal brutal wirkten. So wechselte die Partitur vom Beginn II.Akt "Walküre" gleich auf Siegmunds Tod. Engelbert Humperdincks konzertante Schlußfassung von Siegfrieds Rheinfahrt wirkte etwas deplaziert. Grundsätzlich fällt auf, daß die Wirkung der großen kompositorische Linie durch die auf etwa 9 Stunden reduzierten Musik nicht erkennbar sein konnte. Wie die Linie im Original wirkt, hört man nur im letzten Akt von 'Brünnhilde', der aus dem kompletten III.Akt der "Götterdämmerung" besteht.
Für die Regisseurin Tatjana Gürbaca gab es in dieser Fassung natürlich die Möglichkeiten, das Geschehen kompakter miteinander zu knüpfen. Daß die Figur des Wotan als Nebenperson erscheint, liegt auch daran, daß nahezu zwei Szenen aus dem "Rheingold" und der zweite Akt der "Walküre" entfallen. Die Götter mit Fricka und Erda gibt es nicht. Manchmal fällt es gar nicht auf, das etwas fehlt; andere Teile vermißt man schmerzlich.
Im Fokus des Geschehens liegt die nächste Generation der Hauptprotagonisten, die auch den Titel der drei Abende geben.
Durch den geänderten Ablauf der Szenen werden inhaltliche Schwerpunkte neu gestaltet, möglichst aus der Sicht des jeweiligen Titelgebers.
Nachdem Alberich seinem Sohn Hagen im Gespräch aus der "Götterdämmerung" auf den Ring einstimmt, springt die Erzählung in 'Hagen' zurück ins "Rheingold" zum Fluch und Raub. Als Figur wird Hagen junior eingeführt, der mit dem Vater das Spiel der Rheintöchter beobachtet; damit wird der junge Hagen Zeuge des Geschehens. Das heißt aber auch, daß Alberich bereits vor dem Fluch durch Vergewaltigung seinen Sohn erzeugte und so den Verzicht auf Liebe relativierte.
Sehr gut in der szenischen Erzählung des 'Siegfried' I. Akt gelingt der Wechsel nach Siegfrieds Frage "wer ist mir Vater und Mutter" - denn dann geht es attacca mit dem Vorspiel zum ersten Akt der 'Walküre' und deren ersten Akt weiter. Siegfried wird dann Zeuge des Mordes an seinen Vater.
Oder das aneinanderreihen der zwei Siegfried-Auftritte aus der "Götterdämmerung" I.+II. Akt im zweiten 'Hagen-Akt', der dann mit der großen Chorszene endet. Was dazwischen geschah sieht und hört man später in der 'Brünnhilde'. - So gelingt es, Inhalte auf einen wesentlichen Gesichtspunkt zu konzentrieren.
Siegfrieds Auftritt als Gunther wird nicht nur durch wechselnde Kostüme (Barbara Drosihn) genial gelöst. Im Siegfried-Kostüm mit Tarnhelm erscheint der Gunther-Sänger und singt die 'Siegfried-Partie'. Das macht Kristján Jóhannesson mit seinem strahlend hohen Bariton exzellent; bei ihm fällt besonders die Personenzeichnung eines unsicheren Herrschers durch die Regie auf.
Das Bühnenbild von Henrik Ahr besteht aus einem großen veränderbaren weißen Würfel, dessen Wände sich für weitere Bühnenteile öffnen können, wo auch die Rückseiten Orte des Geschehens sind, so z.B. eine Höhle als Brünnhild's Gemach. Während der Handlung taucht dieses Bühnenbild als Modell und Spielball der Akteure auf.
Höhepunkt dieses Konzepts ist das Finale in 'Brünnhild'. Die drei Rheintöchter bringen Ausstattungs-Teile der erzählten Geschichte in den Innenraum des weißen Würfels, der sich dann schließt und zu den letzten Brünnhilde|Götterdämmerungs-Takten in den Boden versinkt, während Brünnhilde und Hagen als Kinder dem zusehen; lernen sie aus dem Geschehen?
So werden szenisch-optisch wunderbare Meilensteine in einer 9-stündigen Neufassung gesetzt, bei denen der Ring-Kenner viel vermißt aber viel neues erlebt. Die Personenführung der Darsteller ist genau und spannend umgesetzt; nie wird 'nur gesungen'. Eine außerordentliche Leistung aller.
Constantin Trinks dirigiert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Die Abbass-Fassung schmälerte durch das schlanke Spiel des Orchesters kaum das 'Gedächtnis' für die Originalpartitur. Der Arnold Schoenberg Chor stellte mit viel Spiellust die Mannen; auf einen Damenchor wurde verzichtet.
Die Sänger waren gut bis sehr gut mit internationalen Solisten besetzt. Ingela Brimberg als Brünnhilde bot ihr Rollendebüt mit schöner ausdrucksstarker Stimme und intensivem Spiel. Auch Aris Argiris als Wotan|Wanderer glänzte mit seinem Rollendebüt; neben seiner wunderbar aufblühenden großen Stimme bot er im Spiel noch eine blendende optische Erscheinung. Da freut man sich schon jetzt darauf, wenn er anderorts die ganze Partie zeigen wird.
Nach Bayreuth ist auch hier Martin Winkler ein markanter Alberich. Daniel Brenna kann als Siegfried Dank der Striche seinen leichten Tenor gut einteilen; mit ihm steht der Regisseurin ein toller Sänger-Darsteller zur Verfügung. Daniel Johansson ist ein Siegmund, bei dem kein Wunsch offen bleibt. Stimme und Spiel sind beim kaum zu übertreffen und seine Bühnenpräsenz ist genial.
Bei Liene Kinca als Gutrune und vor allem als Sieglinde bleibt eigentlich nur der Wunsch offen, sie auch auf dem Walkürenfelsen mit ihren 'hehrsten Wundern' zu hören. Ann-Beth Solvang bleibt vor allem als Waltraute mit ihrer Erzählung in Erinnerung; ebenso eine sehr agile und präsente Raehann Bryce-Davis, die als Wellgunde ihre schöne und große Stimme mit beherztem Spiel einbringen konnte.
Samuel Youn ist Hagen, dem eine tiefe finstere Stimme zu seiner sehr intensiven szenischen Gestaltung zu wünschen wäre. In Köln als Gunther lies er aufhorchen. In Bayreuth als Heerrufer machte er mit seinem schönen hohen Bariton und seiner trefflichen Aussprache Eindruck. Von seinem Holländer in Köln war ich schon nicht mehr so beeindruckt - auch nicht danach in Bayreuth; da fehlte einfach das tiefe Fundament. Warum er einen weiteren Fachwechsel mit seiner kultiviert geführten Stimme bis ins tiefste Bassfach anstrebt, bleibt sein Geheimnis.
Da konnte Stefan Kocan als Hunding und Fafner bestens mit markantem tiefen Bass auftrumpfen. Aber auch alle weiteren Protagonisten waren ohne Fehl und Tadel und boten eine eindrucksvolle Leistung.
Tief bewegt verlies der Zuschauer die dreitägige Aufführung und ich wünschte insgeheim, daß das szenische Leitungsteam das Wagner-Original woanders mit mehr Probenzeit realisieren kann und ich die Sänger auf einer anderen Bühne oder in Wien wieder erleben werde.
MONDPARSIFAL ALPHA 1-8 / Wiener Festwochen 2017
6-2017 | Zu den Wiener Festwochen wurde heuer diese Produktion mit Fug und Recht als spektakulärer Beitrag angekündigt. Die Musik komponierte Bernhard Lang. Jonathan Meese inszenierte im eigenen Bühnenbild und selbst kreierten Kostümen.
Ausgangspunkt dieser Parsifal-Idee war ja Meeses abgesagte Produktion in Bayreuth. Mit dieser neuen Idee eines anderen Parsifal konnte sich der Berliner Regisseur und bildender Künstler schnell anfreunden. Die Musik von Bernhard Lang hat ihren eigenen Stil, ist moderner, enthält Jazz-Elemente und nutzt immer wieder Wagner-Zitate. Text und Wagner-Noten rangeln sich am Original, so daß der kundige Betrachter immer weiß, wo man gerade ist; die dreiaktige Fassung wurde auch beibehalten.
Der Besucher konnte sich also ganz und gar auf das großartig Neue auf der Bühne und im Gaben einlassen und er wurde nicht enttäuscht, vom Mythenschlamm der Vorlagen entzaubert zu werden.
Mit scheinbar überbordender Phantasie wird die Geschichte vom kommenden Gralsritter erzählt. Der Künstler Meese legt selbst Hand an und skizziert live vom Proszenium rechts Spiralfiguren, die auf das Bühnenbild übertragen werden. Auf der Obertitelanlage kommen zum gesungenen Text seine eigenen Assoziationen dazu. Viel und auch zuviel hat Methode: Im 3.Akt läuft auf großer Leinwand Fritz Langs wunderbar rekonstruierter Stummfilmepos "Die Nibelungen", während davor die Parsifal-Handlung weiter fortschreitet. Verbindungen zu beiden Inhalten versucht der Betrachter zu finden. Da muß sich der Besucher oft entscheiden, wohin sein Interesse geht.
Das Bühnenbild ist futuristisch, die Kostüme lehnen sich oft an Figuren aus der Medienwelt jüngster Zeit an. Die Mondlandschaft zu Beginn erinnert an Caspar David Friedrich, in der Kundry im Gehrock, mit Barett und Gehstock die Silhouette bildet. Eine große Strohpuppe ist Klingsors Alternativ-Welt.
Simone Young dirigiert das Klangforum zupackend die scheinbar immer wieder 'stehend-aufgehängte' Partitur von Lang. Höhepunkte für mich waren das Vorspiel zum II.Akt mit einem wundervollen Saxophon-Solo oder die drängende Zwischenmusik im 3.Akt. Der Arnold-Schoenberg-Chor sorgte für Wohlklang.
Für manche ist es sicherlich schon eine Frechheit, den Parsifal mit einem wohlklingenden Counter-Tenor zu besetzen. Aber wer dann Daniel Gloger erlebt merkt, daß das in dieser Fassung gar nicht anders sein kann. Der schlanke Sänger war in seiner engen Latexkluft immer Garant für unterhaltsames Theater.
Die anderen Sänger|innen -allesamt exzellent- könnten ebenso in Wagners Original-Partien bestehen, wird bei Lang doch noch viel mehr verlang, als nur schön zu singen.
Tómas Tómasson als Amfortas macht fast eine lustige Figur aus diesem Leidenden. Martin Winkler ist sein Gegenspieler Klingsor, der mit viel Spaß die Ideen des Regisseurs umsetzt. Wolfgang Bankel ist ein sonorer Gurnemanz in Stimme und Spiel.
Magdalena Anna Hofmann, die ich in Essen noch 'leicht schwanger' als Senta erleben konnte, präsentiert sich mit großer Stimme als eindrucksvolle Kundry.
Gerade für den Wagner unkundigen 'Opernbesucher' ist diese Lang|Meese Fassung ein großartiges Ereignis und macht Lust auf mehr - auch auf das Wagner-Werk im Original. Und ich habe es sehr bedauert, daß Meister Messe nicht in Meister Wagners Festival-Stadt mit seiner Arbeit zu erleben war. Aber vielleicht bekommt Jonathan Meese noch einmal woanders Gelegenheit dazu - wenn er will; das wäre was...
Diese Meese | Lang Produktion ist auf jeden Fall nach Wien noch einmal in Berlin zu bewundern. Also, nichts wie hin!
CAPRICCIO
In Wiens alt-ehrwürdigem Opernhaus in der Papagenogasse gab es am 18.4.2016 eine Neuinszenierung von Richards Strauss letztem musikdramatischen Werk "Capriccio". Wo einst Ludwig van Beethovens "Fidelio" seine Uraufführung fand, gab es unter der musikalischen Leitung von Bertrand de Billy eine hörens- und sehenswerte Aufführung zu erleben. Die Wiener Symphoniker boten eine Bestleistung an musikalischer Ausgestaltung.
Anders als in der Münchener Uraufführung 1942 war der Schauplatz der Handlung jetzt kein 'Gartensaal eines Rokokoschlosses'; eine Jessner-Treppe durfte Henrik Ahr aufbauen, um einen möglichst neutralen Ort für dieses Konversations-Stück über Musik und Dichtung herzustellen. Einige Requisiten, wie Cembali lagen umher. Auch die Sänger ergänzten das Bild einer defekten Landschaft; sie sollten die Zeit nach der Entstehung des Werkes vorausahnen lassen, so wie es Richard Strauss damals tat???
Die Inszenierung von Tatjana Gürbaca war musikalisch und szenisch präzise geführt; bunte Kostüme und Masken von Barbara Drosihn ergänzten den spielerischen Charakter.
Die Sängerdarsteller waren 'durch die Bank' auf hohem Niveau besetzt. Maria Bengtsson war die Gräfin, die -nicht nur optisch- optimal in Spiel und Gesang diese Rolle realisierte. Ihr ebenso stark zur Seite Andrè Schuen als ihr Bruder der Graf. Daniel Behle als Musiker und Daniel Schmutzhard als Dichter machten es der Gräfin Dank musikalischer und szenischer Leistung schwer zu entscheiden, wem von beiden sie denn ihre Gunst schenken sollte. Besonders profilieren konnte sich Lars Woldt als Theaterdirektor durch präzises Spiel und Textverständlichkeit.
Je länger die über zweistündige Diskussion um kulturästhetische Themen ging, umso mehr sehenswerte Bilder konnte Regie und Ausstattung dem interessierten Publikum bieten, unterstützt von der immer schöner werdenden Musik von Richard Strauss. Wem der Herren die Gräfin mehr als zugeneigt ist, wurde nicht verraten; es schien aber ein Außenseiter, der Haushofmeister (Christoph Seidl) zu sein.
Nicht nur Richard-Strauss-Freunde kommen in dieser Aufführung, die en suite in Wien gespielt wird, mehr als auf ihre Kosten.
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