Theatertipps: Oper Köln

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HAMLET

8.12.2019 | Die Musik von Brett Dean beginnt düster, unterstützt von Singstimmen. Es flimmert und Schlagwerke aus verschiedene Ecken entwickeln sich mit großem Chor und Orchester zu einem starken Brausen. So beginnt die deutsche Erstaufführung von Hamlet nach dem Text von Shakespeare, den der Regisseur Matthew Jocelyn als Libretto in englischer Sprache entwarf.

Alain Lagarde entwarf für das Kölner Staatenhaus eine in Grau gehaltene Bühne mit Steg und Aufgängen im Hintergrund. Ein Bühnengraben mit sich öffnendem Durchgang an der schrägen Rückwand ermöglicht weitere Möglichkeiten zur spannenden Raumgestaltung.

Librettist und Regisseur Matthew Jocelyn hat sich an der historische Vorlage gehalten, geschickt einige Stellen umgestellt und so eine wunderbare Vorlage für den Komponisten Brett Dean geschaffen.
Die Inszenierung setzt immer auf optische Wirkung, ohne aber das direkte Zusammenspiel der Handelnden zu vergessen. Die modern gehaltenen Kostüme von Astrid Janson setzen einige Farbtupfer.

David Butt Philip als Hamlet hat schon in der Londoner Uraufführung mitgewirkt, zuerst als Laertes, später in der Titelrolle, und ist somit mit dem Werk bestens vertraut. Seine stimmliche und darstellerische Präsenz ist fabelhaft und Garant für die Titelfigur.

Ihm zur Seite ist Gloria Rehm als Ophelia mit strahlendem Sopran und eindrucksvoller Gestaltung. Für ihren Bühnentod hat Brett Dean eine wunderbare Wahnsinnsarie geschrieben.

Hamlets männliche Gegenspieler Claudius und Polonius sind mit Andrew Schroeder und John Heuzenroeder stark vertreten. Dazu schwankt Dalia Schaechter als Gertrud mit ihrem starken Mezzo-Sopran hilflos zwischen Sohn und König und ist die starke Dritte im Bunde.

Dino Lüthy als Laertes beeindruckt neben seiner starken Bühnenpräsenz vor allem auch mit seiner Tenorstimme, die die strahlenden Höhen auf einer gut grundierten Mittellage aufbaut und so kraftvoll glänzen kann. Es ist immer wieder wohltuend, ihn auf der Opernbühne zu erleben.

Wolfgang Stefan Schwaiger ist Horatio und macht aus dieser unscheinbaren Figur einen wichtigen Begleiter Hamlets; dazu er setzt seinen strahlenden Bariton glanzvoll ein.

Für Guildenstern und Rosenkrantz hat der Komponist Brett Dean die Partien für Countertenöre geschrieben. Wenn man das Ergebnis in der Aufführung von Cameron Shahbazi und Patrick Terry miterlebt, kann man sich keine andere Lösung vorstellen.

Joshua Bloom dominiert mit kräftig durchdringendem Bass die Szene, wenn er als Geist, Totengräber oder Komödiant seine Rollen wechselt.

Das Rheinstimmen-Ensemble als Semi-Chor ist Garant für einen klaren, sicheren Chorgesang und ergänzt den Chor der Oper Köln entsprechend.

Duncan Ward dirigiert das Gürzenich-Orchester Köln sicher und kann einen kräftigen Raumklang erzeugen. Einige Schlaggruppen sind über den Zuschauerraum verteilt; das Hauptorchester steht links neben der Bühne. Aber nie werden die Solisten vom Orchester übertönt, was eine großartige Leistung aller Beteiligten ist.

Das Staatenhaus in den alten Messehallen scheint prädestiniert zu sein für diese Aufführung. Das Publikum im gut besuchten Saal 2 zeigte sich begeistert. Ich um so mehr, hatte ich doch zwei Tage zuvor eine weniger inspirierende Aufführung in einem anderen Schauspielhaus miterlebt.


TRISTAN UND ISOLDE

13.10.2019 | In der Messehalle des Staatenhauses ist die Oper Köln schon seit Jahren beheimatet. In einer großen Halle wird einfach eine Opernbühne gebaut, das Orchester je nach Konzept platziert und das Publikum findet in einem breiten Saal auf steigender Tribüne Platz. Da bleiben Wünsche nach Akustik und Bühnensicht nicht aus.

Für Wagners Tristan und Isolde ist der Beitrag des Kölner Gürzenich-Orchesters besonders gefordert. Im Bühnenbild von Darko Petrovic sitzen die Musiker unter und hinter der hoch gebauten Spielfläche. Der musikalische Leiter Francois-Xavier Roth hält davor allein den Kontakt zu Sängern und Musikern.
Auf einer breiten Brücke sieht man in ein 'aufgeschnittenes' Schiff mit vier Kabinen, Verbindungstüren, Klappbetten und Fenstern. Daneben an den Seiten der sehr breiten Bühnen wechseln je nach Aufzug Markes Schreibtisch, ein riesiges Steuerpult für das Schiff oder auch Naturfragmente mit einer brennenden Kerze.
Vor diesen Aufbauten verdeckt ein bespielbares Wabenkonstrukt das Orchester, was den Genuß eines kräftigen Klangs nicht verhindern kann. Dort wird auch gespielt.

Regisseur Patrick Kinmonth läßt meist die innere Handlung in den Schiffskabinen spielen. Meist kommunizieren die Handelnden jeder für sich in wechselnden Räumen; manchmal auch weit entfernt auf den Seiten. Eine realistisch erklärende Szenenabfolge wird durchaus vermieden.

Ergänzt wird die Szene durch Schiffspersonal, das für eine reibungslose Fahrt des Schiffes Verantwortung zeigt. Unrealistisch wird es dann, wenn schwarz gekleidete Männer im Zeitlupentempo und mit stark markierten Bewegungen durch die Waben marschieren. Zu viel wird diese Aktion allerdings bei Isoldes Liebestod.
Um das Treffen der Liebenden zu verheimlichen, werden zwei Doubles für Isolde eingesetzt. Tristan wird nach seinem Tod durch einen Double ersetzt, was jedem auffällt. Schade, denn die Beziehung, die Isolde für den gewählten gemeinsamen Tod aufbaut, wird so geschmälert.

Ingela Brimberg ist Isolde und bietet in Stimme und Spiel eine einzigartige Leistung. Sicher, warmherzig und dennoch kräftig wirkt Ihre Rollengestaltung und läßt keine Wünsche offen. Ihren wunderschön gesungenen Liebestod beginnt sie im Wabengewirr der Vorbühne, um ihn im Schatten bei Tristan auf dem Totenbett in der Kabine zu beenden. Lichteffekt unterstützen nur wenig diesen großartigen Schluß.

Ihr zur Seite bietet Heiko Börner als Tristan ebenfalls eine phänomenale Leistung. Nahezu ohne Ermüdungserscheinungen gestaltet er seine Rolle mit sicherem Spiel. Für eine Tristan-Aufführung ist es fast schon außergewöhnlich, daß man das Liebes-Duett im zweiten Akt komplett aufführt; das haben viele Zuhörer lange nicht auf einer Opernbühne gehört. Gern schont man durch einen 'Strich' die Sänger. Aber nicht in Köln, wo man bei Heiko Börner einen wunderbaren Interpreten hat, bei dem nie die Angst aufkommt, daß bei ihm die Stimme versagt.

Okka von der Damerau ist eine kräftige Brangäne; ihre schön klingende Stimme füllt den Raum und übertrumpft auch die Stimmstärke der Kollegen. Ihre Warnung vor der Gefahr von der Seite vor brennender Kerze füllt den Raum.

Kostas Smoriginas als Kurwenal bietet neben seiner jugendlichen Erscheinung auch eine große, schön klingende Stimme. John Heuzenroeder kann als Melot seinen Tenor mit baritonaler Stärke mit überzeugendem Spiel einsetzen.

Karl-Heinz Lehner ist König Marke und er ist nach einer glänzenden Liebesszene des Titelpaares ein weiterer Höhepunkt mit seinem großen, wohl tönenden Bass, der sein Wehklagen auf der Vorbühne bestimmt.

Das Publikum im voll besetzten Saal 1 bedankte sich nach jedem Akt mit kräftigem Beifall.


BARKOUF oder ein Hund an der Macht

17.10.2019 | Daß muß man der Kölner Oper lassen, zu Offenbachs 200. Geburtstag wird dem geneigten Publikum eine 'Opéra-comique' geboten, die nach der Uraufführung im Salle Favart der 'Opéra Comique Paris' zum Heiligabend 1860 nur für kurze Zeit aufgeführt werden konnte. Das dreiaktige Werk verschwand Dank massiver Kritik und Besetzungsproblemen schnell vom Spielplan. Wegen krankheitsbedingter Umbesetzungen mußten Sänger vom Blatt singen; da konnte das neue Stück keine Furore machen. Die Unterlagen des Werkes gingen verloren und so wurde es bis ins 21.Jahrhundert nie mehr aufgeführt.
Dank detektivischer Recherche in verschiedenen Archiven wurde 'Barkouf oder ein Hund an der Macht' in der jetzigen Fassung wieder hergestellt. So konnte diese 'Opéra Comique' nach seiner Uraufführung erst wieder am 7.12.2018 eine Premiere feiern: in der 'Opera national du Rhin Strasbourg'. Für Regie und Inszenierung war dort und ist in Köln Mariame Clément verantwortlich; die Ausstattung entwarf Julia Hansen Diese Aufführung war der Gewinner in der Kategorie 'Beste Wiederentdeckung' bei der Oper! Awards 2019.

Diese Produktion wurde von der Oper Köln 2019 übernommen. Stefan Soltesz leitet das Gürzenich-Orchester Köln und konnte seine Offenbach-Erfahrung schwungvoll, energisch und doch dezent einbringen, mußte er doch die schwierige Akustik des Aufführungsortes in der Messehalle berücksichtigen. Zu hören gab es eine phänomenale Musik mit ausgezeichneten Sängern. 1 Bass, 4 Tenöre, 2 Soprane und 1 Mezzo verlangte Offenbachs Partitur, was schon vor der Uraufführung zu Diskussionen führte.
Gerade die Tenorpartien verlangten von den Interpreten Leichtigkeit und sichere -auch extreme- Höhen. Die weiblichen Hauptrollen wurden gleichwertig mit einem Sopran (Maima) und Mezzo (Balkis) besetzt. Für die Oper Köln war also kein Problem, adäquat den Anforderungen diese Rollen perfekt zu besetzen.

Eugène Scribe und Henri Boisseaux entwarfen für Offenbach das Libretto. Gesungen wurde in französischer Sprache, die für die Jetztzeit bearbeiteten Dialoge wurden in Deutsch gesprochen.
Die Handlung spielt im indischen Lahore. Zuerst auf dem Marktplatz. Auf der Vorbühne sieht man schon hohe Regale voll mit Akten, die ein Archivar betreut. Hier werden die Listen und alle weiteren Unterlagen des Staates gehortet, mit denen er das Volk bespitzelt, überwacht und unterdrückt.
Eine zierliche Hundehütte für Barkouf wird im zweiten Akt von den Aktenregalen fast erdrückt; eine Plastiktüten-Rolle nebst Spendervorrichtung für Hundekot bietet praktische Hilfe. Im dritten Akt ist die Hundhütte schon größer geworden, aus der Kaliboul mit zerrissenem Anzug herauskommt, Maima aber unbeschadet ein- und ausgehen kann.

Der Großmogul (Bjarni Thor Kristinsson) selbst besucht sein Volk, das die von ihm benannten Gouverneure immer durch tödliche Unfälle aus deren Amt drängt. Er rächt sich und ernennt seinen Hund Barkouf zum neuen Gouverneur; dem Volk bleibt nichts anderes übrig, als diese Entscheidung zu akzeptieren, so auch der Orangenhändlerin Balkis (Judith Thielsen) und ihren Freund Xailoum (Sunnyboy Dladla).
Der Zufall will es, daß Maima (Sarah Aristidou) mit Barkouf früher zusammen lebte und die Freundschaft zwischen Hund und Blumenmädchen immer noch besteht.
Der Großwesir Bababeck (Matthias Klink) sieht sich in seinen politischen Ambitionen gebremst, die er mit Kaliboul (Martin Koch) und dem Militär durchsetzen möchte. Dazu gilt es noch, seine mehr als unattraktive Tochter Périzade (Kathrin Zukowski) unter die Haube zu bringen; als Ehemann hat er dafür den Offizier Saeb (Patrick Kabongo) vorgesehen, der eigentlich Maima liebt.

Es ist für Bababeck hoch erfreulich, die Freundschaft von Maima zum neuen Gouverneur auszunutzen. Barkouf muß Recht sprechen und die Akten mit seiner Pfote unterschreiben - die listige Maima ist seine Sekretärin und übersetzt den Willen des doch nur bellenden Hundes, der voller Groll seine Hütte beben läßt. Doch von Maima hört man nur ihren Willen; sie senkt die Steuern und begnadigt die zum Tode verurteilten, darunter Xailoum. Aber auch die geplante Ehe zwischen Bababecks Tochter und dem Offizier verhindert sie, ist sie doch selbst schon lange in Saeb verliebt.

Bababeck plant einen Aufstand und möchte Barkouf töten. Seine Verschwörer tragen Bildmasken aktueller Politiker von Trump bis Putin. Die Tataren und die Düsseldorfer sollen im Auftrag von Bababeck Lahore angreifen. Durch Xailoum wird diese Verschwörung samt Mordversuch an Barkouf verraten. Als die Tataren und Düsseldorfer kommen, setzt sich Barkouf (ein kleiner Pudel flitzt aus der Hütte) an die Spitze der Verteidiger, die den Angriff abwehren; der Hund stirbt dabei.

Bei seinem neuen Besuch in Lahore ernennt der Großmogul nun den Offizier Saeb als neuen Gouverneur, da er doch der Schwiegersohn vom Großwesir Bababeck sei. Doch leider wurde die geplante Ehe mit dessen Tochter durch Maima verhindert und so werden Saeb mit Maima vom Volk gefeiert.

Es versteht sich fast von selbst, daß alle Mitwirkenden auf hohem Niveau ohne Einschränkungen ihre Rollen singen und mit viel Spiellaune die Handlung gestalten; auch der Chor und die Chorsolisten der Oper Köln (Rustam Samedov) zeigen sich spielfreudig und musikalisch sicher.

Das Publikum im nicht ausverkauften Staatensaal zeigte sich begeistert und bedankte sich besonders beim Gürzenich-Orchester, das unter Stefan Soltesz diese selten aufgeführte Offenbach-Musik zum Glühen brachte und den wunderbaren Gesang aller unerstützte.


LA GRANDE-DUCHESSE DE GEROLSTEIN

4.7.2019 | Das ließ sich die Oper Köln nicht entgehen, anläßlich Offenbachs 200.Geburtstag eine seiner bekanntesten 'opera bouffe' auf den Spielplan zu nehmen. 'Die Großherzogin von Gerolstein' in drei Akten effektiv zu realisieren, benötigt großen Aufwand in allen Bereichen und das wurde aller Bestens gelöst.
Genug Raum bot die Messehalle im Staatenhaus für Bühne und Saal. Die akustischen Besonderheiten wurden elegant gelöst. Das Gürzenich-Orchester Köln sitzt in einem Graben vor der breit gehaltenen Bühne. Die Tontechnik mit Mikroports tut ein übriges, um einen ausgewogenen Klang von Chor, Solisten und Orchester dem Besucher zu bieten.

Dem musikalischen Leiter Francois-Xavier Roth standen 13 exzellente Solisten und ein präzis agierender Chor zur Verfügung, um mit dem Orchester beschwingt und locker die Komposition von Offenbach zur Geltung zur bringen. Gesungen wurde in französischer Sprache und die Dialoge in der Fassung von Dietmar Jacobs waren deutsch; es gab Übertitel. Da durften natürlich regionale Hinweise zur Erheiterung des Publikums nicht fehlen, was auch unaufdringlich pointiert gelang.

Die Inszenierung von Renaud Doucet in der Ausstattung von André Barbe war phänomenal. Offenbachs Hinweise aus napoleonischer Zeit wurden nicht direkt übernommen; ein aktuelles Thema bestimmte dafür die Handlung und den Bühnenraum. In einem Camp aus Wohnwagen im Wald leben die Befürworter für 'Hambi", um die Abholzung der Natur im Forst zu verhindern. Die Soldatenuniformen waren Fellkleidung. Die Großherzogin ist Produzentin von Mineralwasser; sie und ihre Begleiter erscheinen dort in elegant farbiger Kleidung; Prinz Paul als einer der Heiratskandidaten ist mit einem Brotlaib ausstaffiert.

Im Haus der Großherzogin bestimmt das Firmensymbol in Form eines großen goldenen Frosches den Raum. Das grün der Natur kommt im Bühnenraum nicht zu kurz.

Ergänzt werden die Sänger von 10 Tänzer|innen, die nicht nur für die optische Auflockerung der Szene perfekt sorgen, sondern auch in vielen Rollen die zu erzählende Geschichte erläuterten. Höhepunkt für das Ballett ist die Balletteinlage als Pferde im dritten Akt, was die Zuschauer mit großem Jubel honorieren.

So gelang es der Regie, das in der Mitte des turbulenten Geschehens immer Bewegung zur Musik war. Die Solisten wurden präzise und mit starken choreographischen Elementen geführt, was zu einem großen optischen Gesamteindruck verknüpft wurde. Aber auch ruhig gehaltene Szenen sorgten für eine effektive Ausgewogenheit.

Die großartige Jennifer Larmore konnte für die Titelpartie in Köln gewonnen werden. Ihr wunderschöner, leichter Mezzosopran ist für die Großherzogin ein Genuß. Ihr zur Seite als Fritz ist der junge Dino Lüthy, der aus dem Kölner Opernstudio nun zum Ensemble des Hauses gehört. Sein leicht geführter Tenor besticht nicht nur durch eine sichere Höhe; seine starke Mittellage konnte eine weitere, notwendige Voraussetzung für die Offenbach-Partie klangvoll bieten.

Emily Hindrichs löste elegant die undankbare Aufgabe von Fritz' Freundin Wanda mit schön klingendem Sopran und flottem Spiel. Miljenko Turk als Baron Puck und Vincent Le Texier als General Boum boten mit ihren Rollen als Begleiter der Großherzogin auch musikalisch eine weiteren Glanzpunkt im Ensemblespiel.

Die Inszenierung bot mit überbordenden Einfällen einen großen Offenbach-Abend, der von allen Beteiligten musikalisch und szenisch zur Freude des Publikums im vollem Theatersaal mit starkem Beifall honoriert wurde. Die Balance zwischen Dialogen und Musik wirkte auch Dank der Sänger immer ausgewogen; die Zuschauer wurden immer ausgezeichnet unterhalten.

Man hatte nie das Gefühl, daß das Stück zu Gunsten der Aufführungszeit gekürzt wurde, was ein weiterer Pluspunkt dieser Produktion ist. Zwei Pausen ermöglichten es, diese 3-stündige Aufführung mit schwungvoller Musik zu genießen.


DIE GEZEICHNETEN

14.7.2017 | Franz Schrekers Werk erlebt momentan eine große Renaissance. Aus gutem Grund, hat das Werk mit seiner Musik und seinem Text so eine enorm spannende Dichte, daß man sich wundert, daß dieses musiktheatralische Werk nicht schon längst festen Bestandteil in den internationalen Spielplänen gefunden hat. Außer historischen Hintergründen sind es wohl vor allem interpretatorische und besetzungstechnische, die eine Theaterleitung vor der Realisierung dieses Mammutwerkes zurückschrecken lassen.
Aber nicht so in Köln am Rhein. Bereits 2 Jahre nach der Uraufführung wurde das Werk 1920 dort erstaufgeführt. Die aktuelle Notlage durch den Umbau des Opernhauses brachte die Theaterleitung 2013 auf die Idee, daß dieses Werk nicht nur auf einer traditionelle Opernbühne, sondern auch auf einer Behelfsspielstätte wie das Palladium in Köln-Mülheim gegenüber dem E-Werk zu spielen sei. Und so war es dann auch.
Eine Wiederaufnahme gab es nun im Staatenhaus in Köln-Deutz, mit dem Charme eines riesigen Messe-Komplexes, wo man vor dem Reinkommen bereits mit einigen Stühlen im Freien vor der Tür empfangen wurde, falls mal jemand zu früh kommt.
Im Innern an jeder Ecke, konnte man den Kompromiss für eine Spielstätte sehen. In einer riesigen Halle, erreichbar durch eine Rolltreppe, gab es für ein überschaubares Auditorium eine Einführung in das Werk. Kam man die Rolltreppe wieder abwärts runter, war ein großer schwarzer Vorhang beiseite gezogen und man kam an einer hoch aufgebauten Tribüne in den riesigen Aufführungsraum der Oper. Die Bühne war auf ebener Erde vor den ersten Zuschauerreihen, die langsam anstiegen; es gab auch eine Empore. Im Hintergrund auf unermeßlich großem Raum saß etwas erhöht das Orchester. Darüber und in den Seiten Gestänge für Licht, Technik und schwarze Vorhänge für den backstage-Bereich; eine akustische Ausstattung sieht anders aus. Mit den Zuschauern durften alle Mitwirkende den gleichen Weg zu ihrem Ziel nehmen.

Regisseur Patrick Kinmonth baute für seine Inszenierung einen Auto-Schrottplatz, der wunderbar zu diesem alternativen Aufführungsort passt; den Wechsel von dieser Realität zur Traumwelt wird nur durch andere Kostüme gezeigt. Hier spielt die Geschichte von Alviano, der gleich zu Beginn während des Vorspiels Carlotta tötet und der danach die ganze Geschichte noch einmal erlebt. Dieser Traum ist eine Mischung der Zeiten von einer paradiesischen Traumlandschaft und dem tristen Dasein. Dem Traum eines körperlich unattraktiven Mannes von der Zuneigung zu einer Künstlerin, der die Männer zu Füßen liegen.

Und von den Männern gibt es in Schreckers Werk viele, die die Geschichte mit erzählen auch noch gut singen müssen. Da fehlt es auf Grund der zahlreichen Mitwirkenden im ersten Akt schon mal an einer überschaubaren Kontur. Das spielt aber, je länger das Werk dauert, dann keine Rolle mehr. Es geht nur um die Beziehung zueinander, nicht so sehr um den Faden der phantasievollen Handlung zu folgen. Das Geschehen zueinander wird immer intensiver, dichter, spannender.

Gesungen und gespielt wurde in Köln von allen auf allerhöchstem Niveau. Mit dem Knaben vom Kölner Domchor sind es 21 Solisten.
Marco Jentzsch, den ich in Dortmund noch als Lohengrin im 1.Akt erleben durfte, ist Alviano; seiner heldisch heller Tenor klingt phänomenal. Oliver Zwarg ist mit seinem Heldenbass ein beeindruckender Adorno, ebenso Bjarni Thor Kristinsson als Nardi. Bo Skovhus als Vitelozzo ist einfach mit seinem lyrischen Bariton unschlagbar, als Sänger und als Darsteller.
Anna Gabler ist die Künstlerin, um die sich die Männer balgen. Sie gestaltet diese mit klarem vollen Sopran und spielt mit einer Natürlichkeit, die beeindruckt.

Stefan Soltesz dirigiert stehend das Gürzenich-Orchester-Köln engagiert und läßt die Klangräume aufblühen. Da fragt man sich, warum hört man diese wunderschöne Musik bisher so selten auf deutschen Bühnen. Aber keine Sorge, nächste Spielzeit gibt es "Die Gezeichneten" in einer Neuinszenierung in der Komischen Oper Berlin; Stefan Soltesz dirigiert.


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