Theatertipps: Theater Krefeld-Mönchengladbach

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DIE NACHTWANDLERIN

24.09.2023 |Da hat sich die Reise nach Krefeld mehr als gelohnt. Auf dem Spielplan stand Vincenzo Bellinis Oper 'La Sonnambula', die anno 1831 in Mailand uraufgeführt wurde und nun im Theater Krefeld mehr als achtsam zur Premiere gelangte.
Regisseur Ansgar Weigner wählte mit dem Bühnenbild von Hermann Feuchter eine romantische Sicht á la Caspar David Friedrich für die Geschichte von Amina, die als Nachtwandlerin fast um ihr Lebensglück und der Heirat mit dem reichen Gutsbesitzer Elvino gebracht wurde, als sie nachts in das Hotelzimmer des Grafen Rodolfo kam.

Die Geschichte geht natürlich gut für Amina gut aus. Weniger aber für die Wirtin Lisa und dem Bauer Alessio, der vergeblich um die Wirtin wirbt, die lieber mit dem Koffer abreist.

Mihkel Kütson leitete die Niederrheinischen Sinfoniker und führte sie zu klangvollem Glanz und unterstützte wunderbar die Solisten in diesem Belcanto-Werk. Sophie Witte war eine szenisch und musikalisch hervorragende Amina, die in Woongyi Lee mit leichtem Tenor als Elvino einen ansprechenden Partner hat.

Herausragend mit großer, klangvoller Bass-Stimme gab Matthias Wippich einen exzellenten Graf Rodolfo, der auch im Spiel immer im Mittelpunkt des Geschehens war.

Sofia Poulopoulou als Wirtin (mit ansprechendem Sopran) und Miha Brkinjac (mit kernigem, großen Bass-Bariton) waren immer wirkungsvoll im Spiel, sowie Janet Bartolova als Aminas Mutter und aber auch Jakob Kleinschrot als Notar, dessen angenehmer Tenor aufhorchen ließ.

Das Premieren-Publikum ließ sich manchen Zwischenbeifall nicht nehmen und feierte begeistert Orchester, Chor und Solisten.


ORPHEUS IN DER UNTERWELT

25.2.2020 | Das Theater Krefeld-Mönchengladbach wollte natürlich auch Jacques Offenbachs 200. Geburtstag gebührend feiern und wählte dafür eines seiner zugkräftigen Werke aus. Gespielt wurde Offenbachs Fassung aus dem Jahre 1858 mit wenigen Einlagen der deutlich erweiterten Fassung von 1874. Gespielt wurde in deutscher Sprache und da fing das Problem dieser niederrheinischen Fassung an.

Offenbach gestaltet in Zusammenarbeit mit seinen Textdichtern -hier Crémieux und Halévy- seine 'Operetten' mit einem versteckten Augenzwinkern auf die damalige Zeit und der politischen Macht. Die Tatsache, daß seine Werke von der Zensur beobachtet wurden, lies ihn die Handlung und den Text vorsichtig gestalten, um seine Kritik nicht zu offensichtlich werden zu lassen. So wurde oft die griechische Mythologie als Handlungsort gewählt; die Theaterbesucher verstanden die aktuellen Bezüge und amüsierten sich köstlich über die zwischen den Zeilen stehenden kritischen Abhandlungen, die den Göttern in den Mund gelegt wurden. Die kräftig-schmissige, schöne Musik mit dem feurigen Can-Can tat ein übriges.

Hinrich Horstkotte bearbeitete für seine Inszenierung die deutsche Übertragung von Ludwig Kalisch für seine Idee, die Götter des Olymps als DDR-Regierung zu präsentieren. Jupiter (Hayk Deinyan) ist der näselnde Erich Honecker, Juno (Debry Hays) dessen Ehefrau Margot. So geht es weiter bei den Göttern, so ist Merkur z.B. Gott der Stasi-Spione.

Orpheus und Eurydike sind Vertreter des Volkes. Die öffentliche Meinung (Gabriela Kuhn) erkennt man schnell als Angela Merkel. Pluto ist der teuflische Vertreter des Westens.

Martin Dolnik baute neben Plutos Kornfeld ein aufklappbares Etagenhaus mit ostdeutschen Möbeln. Die DDR-Götter sind medienpräsent und so wird der Olymp als großer Fensehschirm gezeigt. In der westlichen -rot gehaltenen- Hölle werden auf einer kleinen Drehbühne geschickt die wechselnden Räume bespielt. Zum Finale darf natürlich das Brandenburger Tor nicht fehlen und die fallende Mauer. So wird die DDR-Zeit aus dem Jahre 1989 bis ins kleinste Requisiten-Detail mit Merkurs Rakete und Plutos Zonenexpress auf die Bühne verfrachtet.

Hinrich Horstkottes Kostüme waren eine geschickte Mischung von mythischem Outfit und DDR-Kleidung. Auch durften Anspielungen auf DDR-Fernsehfiguren nicht fehlen.

Sowohl die Dialoge als auch die Gesangstexte wurde auf das gewählte DDR-Thema umgeschrieben. Da wollte man aber so viel Inhalte transportieren, daß nahezu jede Dialogszene zu lang wirkte. Die Sänger durften, so weit sie konnten, sächsischen Dialekt sprechen; andere Dialekte gibt es ja in Ostdeutschland nicht. Der Text war oft unverständlich.

Unter der musikalischen Leitung von Diego Martin-Etxebarria spielten die Niederrheinischen Sinfoniker sicher auf und für die Protagonisten auf der Bühne dezent zurückhaltend. Oft fehlten da kräftige Akzente zum noblen Orchesterglanz.

Gesungen und gespielt wurde von dem großen Ensemble bestens. Sophie Witte als Eurydike konnte neben ihrem schönen Sopran auch ihre Dialekt-Kenntnisse einsetzen. Orpheus ist David Esteban und man möchte seinen schön geführten Tenor auch in anderen Rollen hören. Rafael Bruck ist ein attraktiver Pluto aus dem Westen, der dafür seinen schönen Bariton erklingen lassen kann; da versteht man, warum der Westen beliebt ist. Von den Göttern können Eva-Maria Günschmann (Diana), Susanne Seefing (Cupido), Guillem Batllori (Mars) und James Park (Merkur) positive Akzente setzen; sie singen einfach gut.

Der Intendant des Hauses (Michael Grosse) selbst lies es sich nicht nehmen, die traurige Gestalt des Hans Styx zu mimen, der von seiner Fernsehkarriere träumt.

Mitglieder des Balletts waren dank der Balletteinlagen aus der 1874er Fassung aller bestens im Einsatz. Der berühmte Can-Can wurde von Robert North schwungvoll und ideenreich choreographiert.

Das Publikum bedankte sich am Fastnachts-Dienstag zwischendurch und zur Final-Musik mitklatschend mit kräftigem Beifall. Was will man da mehr, selbst wenn nicht jeder etwas mit dieser DDR-Parodie anfangen konnte.


BORIS GODUNOW

10.5.2019 |Mussorgskis Urfassung vom russischen Zaren ist kurz, knapp und bietet ein psychologische, dramatische Geschichte mit viel russischer Seele. Im renovierten Theater in Mönchengladbach konnte man eine schlüssige und musikalisch dichte Aufführung erleben. Nicht nur die Titel-Figur, sondern auch die anderen Rollen sind in dieser Chor-Oper gefordert; das alles wurde vom Haus-Ensemble und Chor bestens eingelöst.

Johannes Schwärsky in der Titelrolle bietet mit seiner großen baritonalen Stimme eine eindrucksvolle Studie des russischen Zaren. Kairschan Scholdbybajew ist mit seinem durchdringenden Tenor als Schujskij ein ebenbürtiger Partner. Igor Stroin als falscher Dimitri ist ebenso ein tenoraler Glanzpunkt im Ensemble, aus dem Rafael Bruck, Hayk Dèinyan und Matthias Wippich herausragen. Susanne Seefing als Fjodor kann ihre ansprechende Mezzo-Stimme wirkungsvoll einbringen.

Die Niederrheinischen Sinfoniker unter Mikhel Kütson spielen sicher und stimmungsvoll auf. Zusammen mit Solisten und Chor erreichen sie ein großes Klangerlebnis.

Agnessa Nefjodov inszeniert die Geschichte klar in einem düsteren Bühnenbild von Eva Musil. Die Personenführung ist genau verständlich und wird spannend von den Mitwirkenden umgesetzt. Verschiebbare Wände vermeiden einen zu realistisch aussehenden Raum, in dem auch stimmungsstarke Lichteffekte mit einem statuarisch eingesetzten Chor entstehen.

Das Publikum ging mit dem Gefühl nach Hause, eine große russische Oper erlebt zu haben.


LOHENGRIN

20.5.2017 | Im gut besuchten Krefelder Haus konnte man ein Rollen-Debüt in der Titelpartie erleben. Michael Siemon, Ensemblemitglied des Hauses, gab zum ersten Mal die Partie des Schwanenritters. Der junge Sänger verfügt über eine schöne, leichte Stimme, die in der Höhe ohne jegliche Probleme auftrumpfen kann. Daß er lernen muß, die Kraft für diese Mammut-Partie einzuteilen, versteht sich von selbst. Erfreulich festzustellen, daß Michael Siemons Rollenspiel intensiv verständlich war; er hat also während der allgemeinen Probenphase gut mitprobieren können. Im dritten Akt gelang ihm aber ein Patzer, der eher im Freudschen Sinne zu verstehen ist. Scheinbar froh, bald dieses Debüt geschafft zu haben, setzt er nach der Gralserzählung zur Begrüßung des Schwans mit "Nun sei bedankt mein lieber Schwan" an. Die Souffleuse hilft mit kräftiger Stimme beim Text und das Orchester unter Mihkel Kütson wartet, bis sich der Lohengrin-Sänger wieder gefunden hatte - alles nicht so schlimm.
Für die erkrankte Kollegin aus dem Haus durfte ich wieder a.G. Sabine Hogrefe als Ortrud erleben; mit großer intensiver Sopran-Stimme und mit einem ausdrucksstarken Rollenspiel sorgte sie für einen weiteren Höhepunkt des Abends. Der junge Rafel Bruck war diesmal der Heerrufer, der mit großer schöner Bariton-Stimme keinen Mangel an dieser schweren Partie aufkommen ließ.
Izabel Matula war wieder eine sichere, schön klingende Elsa. Der verstärkte Chor sang sauber und klangvoll. Das ist bei einer Lohengrin-Aufführung schon 'die halbe Miete'; da fiel mir gleich die unsäglich schlechte Leistung des Herrenchors vom Samstag davor ein. Das Publikum bedankte sich mit kräftigem, lang anhaltenden Beifall.


LOHENGRIN

22.4.2017 | Im Krefelder Theater gibt es seit Ostern einen sehenswerte Geschichte vom Gralsritter und einer heutigen Gesellschaft, in der er auf Bitten der verträumten Bürgerin Elsa von Brabant eindringt. Robert Lehmeier hat das spannend inszeniert und GMD Mihkel Kütson leitete engagiert die musikalische Aufführung.
Selbst wenn man nach der Lektüre des Programmheftes nicht alles vom Bühnengeschehen verstand, so gab es doch genug zu sehen, worüber man auch nach einer spannenden Aufführung nachdenken konnte. Und das ist doch schon was. Der Bühnenraum (Tom Musch) hatte den Charme eines Mehrzwecksaales im östlichen Europa. Eine Bühne an der Rückwand wird durch einen mobilen Vorhang vom Saal getrennt; dort gibt es eine schwarze Tür, die zu Wundern führt, auf die auch Ortrud hofft. Im ersten Akt versammeln sich Parlamentarier der verschiedensten Gruppierungen an Tischen, um den hohen Besuch des Königs zu begrüßen; hektisches Treiben der einzelnen Gruppierungen zeichnet die Situation aus. Der hintere Vorhang öffnet sich für den Schwanenritter.
Die Kleidung (Ingeborg Berneth) bietet Anzug, Schlips und Kragen für die Herren; die Damen tragen gepflegte Kostüme. Danach bereiten sich alle auch optisch für den Krieg in schwarz-weißen Tarnanzügen vor. Lohengrin hat einen silbernen hautengen Anzug; ein Blütenkranz schmückt sein Haupt.
Elsa träumt von ihrem Retter bereits im ersten Vorspiel. Da öffnet sich bereits der Vorhang im Mehrzwecksaal; man sieht ihren Traummann splitterfasernackt nur mit Blütenkranz auf dem lockigen Haupt und einem großen langen - Schwert. Da hat Telramund schon sehr recht, wenn er eifersüchtig von einem Buhlen ausgeht.

Die Personenführung von Robert Lehmeier ist bei Chor und Solisten sehr genau. Er zeichnet Elsa als schwärmerische junge Frau, die herzlichst bei ihrer Gerichtsverhandlung alle in einem langen Kleid mit großflächigem Blumenmuster begrüßt.
Beeindruckend, wie genau die Situation im Parlament aller Anwesenden gezeichnet wird. Im 2.Akt sitzt die Gesellschaft auf Stühlen aufgereiht. Die Herren schon im Tarnanzug, die Damen alle im Hochzeitskleid. Nicht nur Elsa will ihren Schützer heiraten, sondern auch alle anderen werden heiraten. Beim Brautchor bereiten sich die Damen mit einer Kalaschnikov im Arm -noch in Weiß- auf den Krieg vor. Danach ziehen alle im Kampfanzug in den Krieg, angeführt von einem kleinen Jungen namens Gottfried von Brabant.

Im Brautgemach wird deutlich, daß der reale Lohengrin nicht die Person ist, die sich Elsa erträumt hat. Ein Bett für die Liebesnacht sieht das Bühnenbild schon gar nicht erst vor; nur das Brautkleid als Liegefläche wäre dafür eine Möglichkeit, auf die Lohengrin auch aus ist. Er will, aber sie von Anfang an nicht; das Frageverbot ist sekundär. Es zieht Elsa zur attraktiven Traumfigur, die zum Wohlwollen -auch für die Zuschauer- noch einmal erscheint. Lohengrin verabschiedet sich mit Handschlag von der verdutzten Gesellschaft, die ohne ihn in den Krieg ziehen muß - mit einem kleinen Jungen als Anführer.
Mihkel Kütson leitete die Niederrheinischen Sinfoniker, Chor und Extrachor des Theater sehr umsichtig. Ungenauigkeiten im Orchesterspiel sind beim Vorspiel natürlich leicht zu hören. Auch war die Balance einiger Chorpassagen zu Ende des ersten Aktes nicht so ausgewogen; da wurden die Frauenstimmen doch vom Herrenforte überdeckt. Striche, beim Finale I , in der Herrenchor-Szene mit dem Heerrufer und nach der Gralserzählung sind fast überall üblich. Interessant, von mir wohlwollend empfunden, der Strich beim Brautchor oder auch kurz vor dem Finale im II.Akt, wo Lohengrin sich ablenken läßt.

Peter Wedd ist der Lohengrin, der sicher und wohlklingend die Partie beherrscht; unmerklich, daß im III.Akt die Kraft etwas schwindet. Er ist der einzige Gast in einer Produktion, die das Gemeinschaftstheater ansonsten mit hauseigenen Ensemble ohne große Einschränkungen ermöglichen kann. Das ist besonders hoch zu bewerten.
Izabel Matula als Elsa verfügt über einen schönen Sopran in allen Lagen und kann auch in den dramatischen Momenten Wohlklang erzeugen. Eva Maria Günschmann lies sich vor der Aufführung wegen einer leichten Indisposition entschuldigen. Gehört habe ich nichts; nein im Gegenteil, sie gestaltete ohne zu forcieren ihre Rolle, ach die Wotan-Rufe wurden schön gesungen.
Johannes Schwärsky als Telramund konnte seine tiefe Stimme klangschön einsetzen; die Höhen waren für ihn scheinbar kein Problem. Ebenso der Heerrufer von Andrew Nolen, der die schwierige Partie mit seiner tief gelagerten Stimme parierte.
Matthias Wippich als König Heinrich war in Stimme und Spiel eine herausragende Erscheinung.
Das Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem, kräftigen Beifall für die Leistung aller; auch die Traumfigur und Gottfried holten sich zu recht ihren Lohn ab. Zu Recht, denn diese Aufführung ist mehr als sehens- und hörenswert. Vergleicht man eine aktuelle Inszenierung in der Nähe am Rhein mit der in Krefeld, so würde ich immer eine Reise an den Niederrhein vorziehen. Denn das Theater Krefeld-Mönchengladbach bietet spannendes Musiktheater.


KATJA KABANOVA

15.10.2016 | Die erste Premiere im Krefelder Musiktheater bescherte den Gästen einen wunderbaren musikalischen Abend mit der Musik von Leos Janacek. Die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung ihres GMD Mihkel Kütson lieferten einen spannenden, durchsichtigen Orchesterklang und bewiesen, welch hochwertiges Klangerlebnis die Musik von Janacek bieten kann. Dazu gehören natürlich auch der Chor und die singenden Solisten auf der Bühne und da zeigt das Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach, welch starkes Sängerpotential dort aufgeboten wird.
Allen voran die Titelfigur der Katja Kabanowa, die Izabela Matula mit schönstem Sopran, lyrisch mit dramatischen Momenten intensiv darstellt; da kann man sich bei ihr auf weitere Produktionen in Krefeld freuen. Ihr zur Seite stand Eva Maria Günschmann als Barbara. Während Katja sich den gesellschaftlichen Zwängen unterordnet, ist Barbara aktiver in der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen; denn beide haben unter der Obhut der Kabanicha zu leiden. Satik Tumyan gelingt es mit ihrem Mezzo, dieser dominanten Figur auch musikalisches Profil zu geben.
Gegen solch ein hervorragendes Damen-Terzett haben es die Männer -Dank Janaceks Vorlage- schwer, sich zu behaupten. Daß Katjas Partner sich aber so gut positionieren, liegt an den ausgezeichneten Sänger-Kollegen. Kairschan Scholdbybajew als Tichon spielt den ungeliebten Ehemann -obwohl Katja immer das Gegenteil behauptet- der unter der Fuchtel seiner Mutter steht; sein Tenor spricht besonders bei dieser Rolle klangvoll an. Katjas Liebhaber Boris wird vom jungen Michael Siemon gespielt und wunderbar lyrisch-heldisch gesungen.
Hayk Dèinyan ist Dikoj, der mit seinem kräftigen, runden Bass musikalisch seine Rolle positiv gestalten kann; er hat die Aufgabe, die Doppelmoral der Gesellschaft -die später Katja kritisiert, mit einem Schäferstündchen mit der Kabanicha zu offenbaren. Die Figur Kuligin hat Dank der Partie musikalisch wenig zu bieten; Andrew Nolen gelingt es aber, mit seiner Präsenz dieser kleinen Figur Profil zu verleihen, wo ihm auch einige 'Einfälle' der Regie helfen.
Markus Heinrich ist Wanja, der mit seinem schönen Tenor mehr als nur ein Buffo ist; durch sein Spiel als Liebhaber der Barbara, setzt er in der verzwickten Geschichte um Liebe und Gesellschaftskritik einen wichtigen Beitrag. Während beide sich zur Flucht aus dem miefigen Städtchen Kalinoff Richtung Moskau entscheiden, entscheidet sich Katja zum Selbstmord.

Während sich die musikalische Realisierung auf höchstem Niveau bewegt, kann Regie und Bühnenbild diese wunderbare Vorlage nicht aufgreifen. Allein der triste Anblick des Bühnenraums von Kathrin-Susann Brose verdirbt dem Zuschauer den Spaß an der Betrachtung des Geschehens. Schwarz in Grau dominiert, ein Baustellenschild beherrscht zu Beginn die Szene, man will eine Brücke bauen, gegen die die Gesellschaft schon während des Vorspiels demonstriert. Diese Idee wird aber später von der Regie nicht weiter verfolgt. Wände, Türen, Fenster, Versatzstücke werden auch mittels Drehscheibe bewegt, um den wechselnden Raum des Geschehens zu zeigen; das müßte es aber gar nicht. Die den Ort dominierende Wolga, dort beendet Katja ihr Leben, wird nur auf dem Baustellenschild und durch Licht-Projektion gezeigt.

Die Regie von Helen Malkowsky erzählt klar den Handlungsablauf und gibt auch den Sängern Gelegenheit, sich zu entfalten. Katjas Entscheidung während des Gewitters, sich zum Ehebruch zu bekennen, wird durch die Regie weniger durch das Wetterphänomen als durch skurrile Einfälle eines Gesellschaftsbildes gezeigt, in dem auch Kuligin als travestieartige Figur gezeigt wird. In der Szene wird optisch zwar Ostrowskijs Vorlage vom traurig-tragische Leben auf dem Land gezeigt; nur die wunderbar klingende Musik von Janácek erzählt mehr.

Die Krefelder Theatergäste können sich auf ein tolles Sänger-Ensemble freuen, das sich in der noch jungen Spielzeit auch in anderen Rollen profilieren wird.


HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

Die wenigsten Bühnen wählen noch die Oeser-Fassung wenn es gilt, J.Offenbachs 'Hoffmanns Erzählungen' für das Musiktheater zu realisieren. Zu viel schöne Musik hat man 'ausgegraben', als daß man an ihr vorbei gehen kann. Und - für den Regisseur gilt es dadurch, neue inszenatorische Schwerpunkte zu finden. Selbst für mich mit meinem geübten Offenbach-Ohr gilt es immer wieder, neue Entdeckungen zu machen.

Die Niederrheinischen Sinfoniker sorgten mit ihrem Spiel für einen Hörgenuß; Andreas Fellner leitete Chor und Orchester mit sicherem Kontakt zur Bühne ohne Fehl und Tadel. Die wundervoll vor Phantasie brodelnde Inszenierung von Hinrich Horstkotte, der auch die Ausstattung entwarf, komplettierte den Gesamteindruck dieser Geschichte von Hoffmanns phantastischen Erzählungen, die in französischer Sprache aufgeführt wurde. Der Besuch am 3.7.16 in Krefeld wurde so zu einem großartigen Theatererlebnis.

Der Bühnenraum bestand aus großen Wänden, die den Raum vergrößerten oder kleiner machten oder sogar schief verschoben. Ein Plafond als Decke schaffte einen Raum, der so eine kaum verändert Spielfläche für alle Bilder wurde. Ein großer Tisch und im Hintergrund der Flügel waren auffällige Möbel, die leider manchen Blick in den Raum versperrten, aber immer wieder geschickt von der Regie eingesetzt wurden. Diese Möbel machten es auch schwer, den Chor zu ordnen. Wenn die Gesellschaft im Einsatz war, war es einfach voll und eine Polonaise mußte her, um Bewegung zu haben.
Aber darüber schaute man gern hinweg, gab es durch die Regie und das Spiel viel anregendes zu sehen und zu hören. Phantastische Einfälle, bei denen auch Elemente des Bühnenbildes eingesetzt wurden, boten dem Auge des Zuschauers immer etwas verblüffend erklärendes; die farbenfrohe, phantasievollen Kostüme komplettierten diesen opulenten Eindruck. Da war es genau richtig, daß Ausstattung und Inszenierung in einer Hand, eben der von Hinrich Horstkotte, lagen.

Die gezeigte Fassung bezog sich in Krefeld auf Offenbachs nicht fertig gestellter Urfassung mit dem Antonia-Bild als 2.Akt. Macht man aber erst danach die Pause dauert das mitunter lang. In Krefeld dauerte der erste Teil so 2 Stunden; das hat schon wagnersches Format. Aber allein durch die großartigen Einfälle auf der Bühne in Crespels Haus, war der Zuschauer gebannt.
Da stellt sich grundsätzlich, nicht nur für Krefeld-Mönchengladbach die Frage, ob man die Akte nicht durch zwei Pausen trennen sollte? Fängt man eine Stunde früher an, kommt der Besucher auch nicht zur nachtschlafenden Zeit nach Hause.

Musikalisch bewegte sich der Abend auf durchaus akzeptablem, teilweise hohem Niveau. Allen voran Eva Maria Günschmann als Muse | Niklaus, die mit ihrem großen schönen Mezzosopran glänzen konnte. Da war es auch kein Problem, das die Regie nicht den Zwiespalt zwischen Kunst und Frauen für diese Figur klar herausarbeiten wollte.
Hans Christoph Begemann verfügt für die Rollen der Bösewichter über eine große, schöne Bass-Stimme, die ohne Problem auch die notwendigen Höhen erreichte. Als Dr.Mirakel mußte er auch schauspielerisch Höchstarbeit leisten, was ihm eindrucksvoll gelang. Markus Heinrich gab mit seinen tollen Kostümen die Dienerrollen und war immer präsent; sein klarer schöner Tenor konnte besonders als Antonias Diener glänzen.
Sophie Witte als Olympia machte sowohl musikalisch als auch szenisch mit den vielen Einfällen bei ihrer Arie einen ausgezeichneten Eindruck. Auch Izabel Matula als Antonia bestach durch ihre Erscheinung und lyrisch großer Stimme.
Lisa Kaltenmeier gab die Giulietta. Einen Tag zuvor in Dortmund als Leitmetzerin machte sich auf mich bereits einen unauffälligen Eindruck. Auch in der durchaus größeren Partie in Krefeld konnte sie nicht überzeugen. In der Höhe fehlt bei ihr der strahlende Glanz und die sinnliche satte Tiefe in der Mittellage, die man gerne bei der Kurtisane hören möchte. Häufig wird diese Partie auch mit Sängerinnen aus dem hochdramatischen Fach besetzt.

Schade, daß die Regie bei der Figur der Stella sich hat gar nichts einfallen lassen. Eine Frau, um die es eigentlich in dem ganzen Stück geht, nur von hinten mit einer große Hutkrempe zu zeigen, machte gar keinen erklärenden Eindruck. Von der hat Hoffmann die ganze Zeit geschwärmt?
Kairschan Scholdbajew gab mit seinem schönen kernigen Tenor sicher die Titelpartie und konnte sich auch in den Ensembles durchsetzen. Auf die strahlenden Töne in den Fortestellen verzichtete er; dabei half ihm auch die musikalische Fassung.
Aber auch die kleineren Partien waren achtbar besetzt. Matthias Wippich machte mit seiner großen Erscheinung und seinem adäquat tiefen Bass Eindruck als Luther und Crespel. Positiv auffallend war die Besetzung durch die große Bariton-Stimme von Shinyoung Yeo als Hermann, Spalanzani und Schlemihl. Für das Ohr etwas ungeübt war es, wenn man eine tiefe Stimme als Spalanzani hört; aber das funktionierte. Dank der musikalischen Fassung und | oder der Regie war die Figur des Schlemihl sehr präsent, was seine Situation im Venedig-Akt sehr aufwertete. So deutlich spannend habe ich das "mit dem nicht vorhandenen Schatten" noch nicht gesehen.

Die Besucher im gut besuchten Haus bedankte sich für die Leistung aller mit kräftigen, anhaltendem Beifall und verließ kurz vor elf in der Nacht das Krefelder Theater.


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