Theatertipps: Staatstheater Mainz

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DER RING AN EINEM ABEND

22.12.2019 | Ausschnitte aus Wagners 'Der Ring des Nibelungen' bieten sich mit der Textfassung von Loriot alias Vicco von Bülow bestens an, wenn man das gesamte Werk nicht aufführen kann oder möchte. Im Vergleich zu der zuletzt von mir gesehenen Fassung in Essen, glänzt die Mainzer Aufführung sehr stark.

In Essen gab es doch Werkausschnitte die überraschten, daß man diese hörte. Daß aber der Trauermarsch in Essen nicht gespielt wurde, ist eigentlich unverzeihbar.

In Mainz dagegen waren die Ring-Ausschnitte elegant gewählt; die Sänger aus dem Mainzer Ensemble fügten sich gut in ihre Aufgabe ein.
Eric Laporte war ein phänomenaler Siegmund im Finale des 1.Aktes und bei der Todesverkündung. Alexander Spemann als Loge und mit strahlendem Glanz als Siegfried möchte man auf jeden Fall auch noch einmal in diesen oder anderen Rollen hören.

Sicherlich hat man Daniela Köhler nicht als Gast engagiert, da sie dem Loriot-Text sehr nahe kommt. Ihr großer Sopran glänzt sicher in Höhe und Tiefe und wird demnächst auch im Frankenland zu hören sein. Was will man da noch mehr; sie ist eine optimale Brünnhilde. Erstaunlich großartig wirkt Vida Mikneviciute neben ihr in Stimme und Spiel als Sieglinde und Gutrune. Sie setzt ihren großen, runden Sopran klangvoll ein. Da sieht und hört man, daß auch eine Sängerin mit schlanker Gestalt in der Lage für großartige Leistungen ist.

Eine Ring-Reise nach Mainz lohnt sich aber vor allem wegen Max Hopp als Erzähler. Seine Loriot-Texte klingen mit seiner wohl tönenden Stimme fast wie Musik; sie werden meist nahtlos nach der Musik weiter geführt. Loriots Humor wird durch seinen Augen zwinkernden Wiedergabe ideal vorgetragen. Mal sitzt Max Hopp auf dem vom Theater Hagen ausgeliehenem Sofa, mal dort auf der Lehne, steht daneben oder an einem Notenpult, um aus seinem Textbuch vorzulesen. Aber immer hält er interessierten Blick-Kontakt zu den Sängern und ist so Teil des Bühnengeschehens.

Die Sänger spielen in Abendkleidung präzise die jeweilige Situation in der Einrichtung und Ausstattung von Erik Raskopf. Es ist spannend, wie die Ausschnitte von den Sängern dargestellt werden. Als Loge hat Alexander Spemann eine rote Perücke; das ist schon der Höhepunkt an seinem Kostümanteil. Als Siegfried sieht man sein Haar mit seinem schütteren Lockenkopf.

Das Orchester läßt als Spielfläche den Mitwirkenden nicht viel Platz. Hermann Bäumers musikalische Leitung kann von den Sängern nur per Monitor verfolgt werden. Der Klang des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz kommt kompakt von der Bühne in den Saal; die einzelnen Stimmgruppen sind akustisch nicht zu lokalisieren. Die Bläser hatten wahrscheinlich nicht ihren guten Tag. Mit knallharten Abschlüssen wirkten die Musikbeispiele immer gefühlvoll, ohne extreme Tempi zu bevorzugen und die Sänger zu übertönen.

Das Publikum, bei dem sehr viel Jugend dabei war, zeigte sich mehr als angetan und sparte nicht mit Beifall, zu Recht.


HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

1.11.2019 | Zu Offenbachs 200. hat die Oper des Mainzer Staatstheaters Hoffmanns Erzählungen in der Inszenierung von Elisabeth Stöppler dem Publikum in einer individuellen Erzählweise vorgestellt.

Offenbachs letztes Werk konnte von ihm nicht vollendet werden. Viele Aufzeichnungen gingen nach seinem Tod verloren und irgendwie hat man die Uraufführung hingekriegt. Lange Zeit wurde nur die Oeser-Fassung aufgeführt. In den letzten Jahre wurde viel von dem verschollenen Notenmaterial gefunden und wieder hergestellt. Der Musikverlag Schott Mainz stellt dieses zur Aufführung zur Verfügung. Davon kann man etwas nehmen und dort einsetzten, wo man glaubte, das Musikstück gehört dahin und das andere lieber nicht.

Elisabeth Stöppler entwarf mit dem musikalischen Leiter Robert Houssart so ein eigenes Konzept. Hoffmann erzählt seine Geschichten nicht seinen Freunden in Lutters Weinkeller, sondern träumte alles in einem Hotel. Hier trinkt er viel Alkohol, der seine Phantasien beflügelt, ihn aber nicht betrunken macht.

Die Dramaturgie der eigenen Fassung bedurfte einiger Änderungen im Ablauf der musikalischen Szenen, einiges wurde ganz weggelassen, z.B. der Beginn des 3.Aktes mit Franz' Lied und andere wurden woanders eingebaut. Kleine Rollen wurden zusammengelegt.

Die Muse ist neben Hoffmann der Angelpunkt in der Aufführung. Im Hotel hat ihr Dichter eine Nacht mit Nathanael verbracht. Johannes Mayer, optisch und musikalisch ansprechend, darf auch die Diener und andere kleine Rollen verkörpern. Da Hoffmann gerade diese Phase durchlebt, verwandelt sich die Muse gerne in einen Mann, in Niklaus.
In einer Video-Einspielung sieht man immer wieder eine Frauengestalt, die dem Poeten nicht aus dem Kopf geht - Stella in rotem Kleid und blondem langen Haar, das im Wind weht. Das Kleid taucht immer wieder in den Szenen auf.

Aus dem tristen Hotelraum entwickeln sich die Bilder aus Hoffmanns Erzählungen. Die Wände verschieben und drehen sich und bilden einen anderen Anblick auf das Geschehen (Bühne Valentin Köhler) Die Kostüme von Susanne Maier-Staufen sind zuerst einige, wenige Farbtupfer. Im Venedig-Bild versammelt sich die karnevalistische Gesellschaft in phantasievoll bunten Gewändern vor der dunklen Rückwand der Hotelaufbauten.

Die Personenführung von Elisabeth Stöppler wird genau von allen umgesetzt und schwankt zwischen realistischem Ablauf, Sex und überbordender Phantasie, die es nicht zu erklären gilt, so wenn als Zwillinge Pitichinaccio und Schlémil (Dennis Sörös) die Gesellschaft bereichern.

Eric Laporte ist der Dichter E.T.A. Hoffmann, der mit schöner Stimme und großer Spiellust die Geschichten mit seinen drei Geliebten durchlebt. Seine Tenorstimme klingt angenehm leicht; doch für die heldentenoralen Stellen ist das für ihn noch zu früh.

Olympia, lupenrein gesungen von Alexandra Samouilidou, ist mit silbernen Metallplatten bekleidet, die sie dann mit ihrer blonden Perücke ablegt und so ein kärgliches Kunstprodukt bleibt. Der Chor hatte bei ihrem Auftritt die oft zu hörenden rhythmischen Probleme.
Dorin Rahardja ist Antonia mit rührender, sicherer Stimme. Ihr Vater Crespel ist Stephan Bootz, der getreu dem realistischen Ablauf, dieser Figur mit großer klangvoller Stimme Profil geben kann. Beide Figuren wirken wie aus einem Gruselfilm. Katja Ladentin ist die Mutter mit goßer angenehmer Stimme im schwarzen Schleier-Kleid und verstärkt wirkungsvoll diese 'Gruftie-Szene'.

Nadja Stefanoff ist Giulietta mit leichtem Sopran, der in ihrer Arie an Grenzen stößt. Interessant ist, daß der Venedig-Akt früher endet und mit Giulietta und Hoffmann im 5.Akt musikalisch weiter geht, wo dann auch die anderen Figuren wieder auftreten. Warum aber vor dem 4. Akt zur Einstimmung aller das Barkarole-Thema als Instrumental-Vorspiel vor drehender Bühne x-mal vom Orchester angespielt wird, ehe von Giulietta und Niklas die 'Schöne Liebesnacht' adäquat schön gesungen wird, bleibt wohl ein Rätsel; zum Umbau brauchte man diese Zeit nicht.

Die vier Bösewichter werden mit großer, schwarzer Stimme von Derrick Ballard eindrucksvoll verkörpert. Da helfen ihm auch Kostüm und Maske, wenn er als Dr.Mirakel mit einem künstlichen Bein auftritt. Er darf die Diamanten-Arie singen, die sich eigentlich in dieser Oper 'verlaufen' hat, da sie nach der Kaye- Keck-Fassung nicht hier hinein gehört.

Solenn' Lavanant-Linke ist die Muse, die ihren schönen klaren Mezzo in ihren Liedern wundervoll einbringen kann. Ihr große Szene ist im 5.Akt., wo sie als Stella mit blonder Perücke und rotem Kleid ihren Hoffmann tröstet. Allerdings liegt der musikalische Stella-Teil für sie etwas zu hoch. Doch dieses von ihr und dem Chor gestaltete Finale ist ein extrem beeindruckender Moment und ist der Höhepunkt dieser Oper von Jacques Offenbach. Allein dafür sollte man Kaye | Keck dankbar sein, daß diese Musik wieder zu hören ist.

So wurde vom Inszenierungsteam und der musikalischen Leitung im Staatstheater Mainz eine eigenwillige Interpretation von Offenbachs großer Oper dargeboten.
Was aber eigentlich jeder Intendant dem Leitungsteam einer 'Hoffmann-Produktion' eindringlichst empfehlen sollte ist, zwei Pausen zwischen den Akten zu machen, wenn man eine großzügige, musikalische Fassung wählt und lange Dialoge hat, die die Handlung verständlich erklären sollen. Warum nicht nach dem Olympia-Bild eine kleine und nach dem Antonia-Bild eine große Pause machen??? Der 3.Akt ist so stark und hat mit dem Franz-Lied etwa eine Länge von 45 Minuten. Da geht doch gerne das Publikum nach diesem wundervoll spannenden Akt in die große Pause und rutsch nicht auf den quietschenden Stühlen herum, um dann schon nach Hause zu gehen. Eine interessante Lösung hat man im MiR Gelsenkirchen gewählt; dort teilte man den Antonia-Akt. Nach der Pause ging es mit dem Auftritt der Mutter weiter; das hatte funktioniert, wenn man es denn so will.

Das Philharmonische Staatsorchester Mainz folgte fehlerfrei und klangschön der Stabführung von Robert Houssart und bot allen Solisten eine wunderschöne Grundlage für den ausgezeichneten Gesang aller. Das Publik geizte trotzdem mit Zwischen-Beifall im schlecht besuchten Haus. Ein Besuch dieser Aufführung ist aber auf jeden Fall zu empfehlen. Ein Technikteam hat diese interessante Aufführung am 1.11. aufgezeichnet.


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