Theatertipps: Theater Dortmund

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ORPHEUS IN DER UNTERWELT

11.11.2023 |Draußen vor der Tür waren in Dortmund auch Narren und Fußballfans unterwegs. Das Publikum war entsprechend vorbereitet auf Jacques Offenbachs Meisteroperette, die als 'Mixed Version' der Fassungen anno 1858 und 1874 im Dortmunder Musiktheater zur Aufführung kam.

Auf Grund der enormen Beliebtheit seiner ersten Fassung, erweiterte Offenbach die zweite mit zusätzlichen Chören und Tanzeinlagen, die Regisseur Nikolaus Habjan und Choreographin Adriana Naldoni phantasievoll auf die große Dortmunder Bühne stellten.

Heike Vollmer entwarf für das erste Bild ein Spa-Raum mit Schwimmbecken; Dirigent Motonori Kabayashi betrat den Orchestergraben über die Leiter in das zu vermutende Wasser. Eurydice machte es sich auf einer Liege bequem; ihr Mann Orpheus kam in kurzen Hosen (Kostüme Denise Heschl) zu seinem Rendezvous mit Chloe. Der 'Schäfer' Aristeus ist ein muskulöser Bademeister, der sich als Pluto seiner optischen Vorteile entledigt, die bis zum Bildende liegen blieben. Die neue Textfassung von Frank Harders--Wuthenow schafft eher Verwirrung als Erläuterung für diesen erdachten Ort und hält sich dann lieber an die deutsche Fassung von Ludwig Kalisch.

Juno und Jupiter liegen auf wolkigen Höh'n in einem Doppelbett, was dem Gott nicht behagt. Eurydices Boudoir in der Hölle befindet sich in schwarzer Höhe und kann nur mittels einer Treppe erreicht werden.

Motonori Kabyashi leitet die Dortmunder Philoharmoniker feinfühlig und läßt so viele Feinheiten der Partitur erklingen; der Can-Can aus dem vierten Bild wirbelt mit viel Energie die Mitwirkenden über Bühne und Vorbühne.

Gesungen wird auf höchstem und allerhöchstem Niveau. Fritz Steinbacher als Aristeus | Pluto ist ein gewandter Schauspieler und Sänger; nur die zu Beginn auftretenden kleinen technischen Unebenheiten der Microport-Übertragung, schmälerten leicht seinen Auftritt.

Mit Rinnat Moriah erlebt man eine Eurydice, wie man sie sich nicht besser vorstellen kann. Sie besitzt eine schönen lyrischen Sopran, der keine Probleme mit den Höhen kennt und sie kann Dank ihrer Figur auch optisch durch Stimme und Spiel ihre Szenen beherrschen.

Während in anderen Inszenierungen der Jupiter oft von 'gestandenen' Sängern gestaltet wird, erlebt man in Dortmund den jungen Morgan Moody. Er erreicht mit seinem Bariton ohne Probleme auch heikle Stellen; seine Dialoge sind textverständlich - was will man da noch mehr - ein phantastischer 'Juppi'.

Spielfreude, die man jedem Mitwirkenden attestieren kann, beherrscht die Aufführung. So auch Zachary Wilson als Orpheus, der seinen hohen Bariton wohlklingend einsetzt; von Nemanja Belej wird er als Geiger virtuos unterstützt.

Das Publikum im nicht voll besetzten Haus zeigte sich amüsiert und sparte zwischendurch und zum Schluß zu Recht nicht mit Beifall.


SIEGFRIED

29.05.2023 | Peter Konwitschny arbeitet weiter an seiner Ring-Fassung im Dortmunder Opernhaus. Jedes der vier Werke von Richard Wagner wird von einem anderen Ausstattungs-Team optisch illustriert, damit eine kontinuierlich szenische Entwicklung und Deutung der vier Teile nicht zwingend erfolgen soll. Die Personenführung ist genau und auch mit viel Humor wird anschaulich das Geschehen geschildert.

Johannes Leiacker schuf für den Siegfried ein praktikables Bild mit Containern. In Erinnerung an die Walküre ragt zu Beginn ein Zweig mit grünen Blättern durch den roten Spielvorhang, ehe das Grün weggezogen wird. Mimes Schmiede bietet eine durchaus modern gehaltene Küche. Fenster und Türen sorgen dafür, daß auch davor das Geschehen ablaufen kann.

Im zweiten Akt gibt es einen neuer Container; den alten sieht man noch etwas links und rechts deutete sich der dritte an. Die Vorderfront klappt nach vorn und man sieht Fafner in goldener Badewanne mit umher liegenden Goldbarren, wie er sich mit dem Waldvogel beim Bad vergnügt.

Im dritten Akt liegt Erda in einer Tiefkühltruhe und wird durchs Wotans Weckruf 'aufgetaut'. Zum Schlaf legt sie sich wieder hin und Wotan zieht den Stecker aus der Steckdose, ehe der Container nach links weggeschoben wird. Für Siegfrieds Weg zum Felsen kommen weitere Container von oben dazu und im Hintergrund versperrt eine Containerwand auf ganzer Fläche den Weg, ehe sich der rote Spielvorhang für den Umbau schließt.

Umso überraschend und überragend dann der Brünnhilde-Felsen; eine leere Bühne mit schwarz-grauer Fläche und den eisernen Toren der Hinter- und Seitenbühnen. Im roten Kleid liegt schlafend Brünnhilde auf dem Boden. Das Pferd Grane hat entgegen Brünnhildes Eindruck die Schlafenszeit nicht überlebt; nur seine toten Überreste bilden einen markanten Blick auf den Raum.

Eine Ansage zu Beginn verwies auf zahlreiche Umbesetzungen und Indispositionen. Cornel Frey (Mime) und Daniel Brenna in der Titelrolle hatten Gelegenheit, sich in die Inszenierung einzuarbeiten und diese spielfreudig umzusetzen. Gesungen und gespielt wurde von beiden phänomenal, was den Abend zu einem Erlebnis machte. Schade, daß sich die richtige Schreibweise des Siegfried-Gastes erst später bis zur verantwortlichen Stelle des Dortmunder Hauses rumgesprochen hat. So konnte man auf dem im Foyer ausgehängten Besetzungszettel nach dem 1. Akt nicht mehr 'Brenner' lesen; solch ein Fehler ist peinlich für jedes Haus.

Kihun Yoon sang von der Seite den Wanderer vom Blatt, während Thomas J. Mayer seine Rolle spielte. Hier sah man besonders, wie genau die eindrucksvolle Regie umgesetzt wurde. Kihun Yoon verfügte über eine große Bass-Stimme, die auch die hohen Stellen erreichte. Da er doch stark den Kontakt zum Dirigenten suchte, fehlten bei ihm die darstellerischen Akzente der Partie.
Morgan Moody merkte man die angekündigte Indisposition nicht an und setzte seine hohe Bass-Stimme mit genauem Spiel betörend ein.

Denis Velev konnte seine große Bass-Stimme mit und ohne Mikrofon-Verstärkung mit Bravour einsetzen. Alina Wunderlin agierte außerhalb der Badewanne stimmlich und szenisch als Waldvolgel wunderbar.

Aude Extrémo verhalf der Erda-Szene mit großem betörenden Mezzosopran zu einer beeindruckenden Szene; die Höhen und Tiefen der Partie waren für sie kein Problem.

Stephanie Müther ist eine Brünnhilde, die in der stark geforderten Mittellage brillierte und auch die hohen Stellen anstandslos meisterte. Gerade in ihrer Szene mit Siegfried zeigte es sich, welch sicheres Geschick die Regie in der Personenführung mit beiden hatte.

Gabriel Feltz leitete die Dortmunder Philharmoniker mit sicherem Gespür für eine klangvoll spannende Partitur. Die oft langsam gehaltene Tempi offenbarten neue Klangerlebnisse.

Zu Recht feierte das Publikum im nicht voll besetzten Saal alle Beteiligten mit lang anhaltendem Beifall.


LOHENGRIN

22.04.2023 |Da hat sich 1 1/2 Jahre nach der Premiere nicht viel mehr erhellendes zur Inszenierung von Ingo Kerkhof dem Publikum gezeigt. Selbst ein Besuch der Stück- und Inszenierungs-Einführung half da nicht viel weiter. Der Vergleich zu Schneeweißchen und Rosenrot und der Hinweis auf den von Wagner initiierten Inzest!!! irritierte und erschloß sich kaum den Betrachten.

Wieland Wagners silberblauer Raum wurde von vielen Theatermachern als ideal zur Musik verstanden. Das hörte Ausstatter Dirk Becker mit seinem schwarzen Raum nun ganz anders.

Die musikalische Leitung von Gabriel Feltz ist immer noch beeindruckend. Der Chorklang im Saal war immer noch stark präsent, zu stark manchmal für das Ohr. Im 2. Akt wirkte der erweiterte Herrenchor auf der Bühne mit den Tenorstimmen sicher, aber zu dominant im Gesamtklang; die tiefen Stimmen vernahm man kaum.

Als Ortrud bot Hyona Kim eine große, manchmal angestrengte Stimme. Astrid Kessler als Elsa von Brabant ist eine optisch und mit schönem, klaren Sopran ideale Darstellerin.

Daniel Behle hat sich mit dieser Partie einen Platz im Lohengrin-Olymp ersungen.

Denis Velev ist jetzt König Heinrich mit großem, hellen Bass, den er auch in den Höhen sicher einsetzte. Morgan Moody als Heerrufer und Joachim Goltz als Telramund zeigten wieder beeindruckende Leistungen.

Das Publikum zeigte sich im nicht vollbesetzten Dortmunder Saal beeindruckt und sparte nicht mit Beifall.


DIE WALKÜRE

21.05.2022 | Das war jetzt meine vierte Walküren-Inszenierung, die ich im Dortmunder Musiktheater erleben durfte. In den 60-Jahren begann Hausherr Wilhelm Schüchter mit der ersten Ring-Produktion im damals neuen Haus. Paul Hager inszenierte im Bühnenbild von Heiner Hill. Jeder Intendant wollte ja auch mal und so gab es zwei weitere Neuinszenierungen, bis der jetzige Hausherr Peter Konwitschny die vierte Neuinszenierung übertrug. Die Zeiten haben sich verändert, während Hager / Hill auf neubayreuther Tradition setzten, entwickelte sich die Sichtweise bis heute auf aktuelle Optik und Spielweise. Die musikalischen Anforderungen bleiben seit 1870 gleich.

Peter Konwitschny entwickelt langsam von Akt zu Akt in der Ausstattung von Frank Philipp Schlößmann einen realistischen Raum. Zum Einlaß steckt aus dem roten Vorhang noch einen Baumzweig, der vor Beginn weggezogen wird. Der Eschestamm fehlt in Hundings Haus; zerschnittene Reste des Baums dienen in allen Bildern als Sitzgelegenheit oder Tisch. Das sind die Reste der Natur; selbst das Feuer fehlt und erklingt nur.

Die Regie erklärt genau die Situation und wird von den Sängern umgesetzt. Die Kostüme unterstützen den Grundton der leichten Erzählweise. Fricka und Hunding kleiden Ledermäntel. Hundings Mannen sind in Bomberjacken und Frickas Security-Begleitung hat schwarze Anzüge. Alle Walküren tragen Matrosenkleider. Brünnhilde muß zur Strafe Kragen und Schlips als 'Schild' abgeben; ihren Schlaf fristet sie in weißer Wäsche.

Wotan trägt zuerst legere Freizeitkleidung, um später im schwarzen Anzug mit weißem Hemd als Rächer aufzutreten. Seine Augenklappe schützt die Wunde. Mit Brünnhilde spielte zu Beginn noch mit Pappschwert und -speer. Einen Götter-Speer hat er nicht, um seine Macht auszuüben; Hunding kann das Schlachtfeld lebend verlassen.

Hundings Hütte wirkte auf der großen Bühne mit ca. 6m Breite winzig, waren doch links und rechts jeweils ca. 5m Platz - alles vor schwarzem Hintergrund; da freute sich das Zuschauerauge. Das Schwert hängt über dem Haus. Eine Wohnküche mit zwei Türen und einem Fenster, das der Flüchtling Siegmund einschlägt, um in das Haus zu gelangen. Es ist eng dort mit den Möbelteilen; der Gast darf sich zum Hausherrn auf das Sofa setzen. Nach den Winterstürmen teilt sich zum Wonnemond der Raum in zwei Teile zur Seite und das Schwert hängt über den leeren Raum. Wotan bringt eine Leiter, die das Zwillingspaar hochklettert. Doch Siegmund kann es nicht erreichen; das Schwert entzieht sich seinem Griff nach oben. Sieglinde ist es vergönnt, Notung zu ergreifen.

Der zweite Akt spielt auf Walhall und die Wohnküche ist opulenter. Gleißendes Licht beleuchtet den großzügig eingerichteten Raum mit türkisfarbenen Stores und Kühlschrank. Es ist so den Sängern möglich, glaubwürdig die Situationen zu spielen. Brünnhilde versteckt sich hinter einem Baumstamm, um den Gesprächen lauschen zu können. Gern wird von den Personen der Handlung ein Getränk -oft 'Schnaps'- zu sich genommen; da freut sich auch des Sängers Stimme.

Der Walkürenfelsen ist zu Beginn ein optischer Gag. Die Walküren kommen von vorn aus der Unterbühne. Ihre Pferde sind mit dem Kopf sichtbar und deren Bewegungen entsprechend lustig. Mit Wotans Auftritt ändert sich das Bild. Von hinten fährt eine große Küche mit Ledersessel und Lederliege als Brünnhildes Gefängnis nach vorn. Brünnhilde nascht schon mal von einem Joghurt.

Zum festen Schlaf fährt ein mit rotem Stoff belegtes Podest nach vorn. Mit einer gehörigen Kraftanstrengung schiebt Wotan diesen Wagen mit Brünnhilde auf einer Schiene über den Orchestergraben. Zum Feuerzauber schließt sich der rote Vorhang. Zur jeder Seite über dem Orchestergraben werden drei Harfen dazu gespielt. Kein Feuer, kein Rauch, nur die Musik mit sechs goldenen Instrumenten illustrieren.

Gesungen wurde von allen Sängern achtbar bis herausragend. An erste Stelle ist Stéphanie Müther als Brünnhilde zu nennen. In allen Lagen verfügt sie über eine große strahlende, sichere Stimme. Schon längst ist sie mit dieser Leistung auf internationalen Bühnen aktiv.

Astrid Kessler verfügt als Sieglinde über einen strahlenden hellen Sopran, der auch die tiefen Stellen besonders im 1.Akt erreicht, und sie ist so im dritten Akt eine ideale Partnerin zur dramatischen Halbschwester.

Daniel Frank gestaltet mit Stimme und Spiel weitestgehend einen idealen Siegmund. Sein Tenor klingt immer ansprechend und textverständlich. Auch Denis Velev als hochgewachsener Hunding mit hell klingendem Bass ist für seine Textverständlichkeit zu loben.

Kai Rüütel als Fricka durfte sich mit ihrem nicht so großem, aber schön klingenden Mezzosopran als Grimgerde in die sicher klingende Walkürenschar mit einfügen.

Bei Noel Bouley hatte man das Gefühl, daß seine Stimme mit den verhaltenen Tempi des Dirigats nicht zurecht kam. Selten konnte seine sicher eingesetzte und schön klingende Stimme sich entfalten.

Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker mit einem Gefühl für langsame Tempi zur Partitur, als ob jede Phase der Instrumentierung hervorgehoben werden sollte. Das Orchester spielte fehlerfrei. Die Entwicklung zum großen Klang fehlte oft. So wird der Orchesterleiter nicht die Fußstapfen seiner Dortmunder Vorgänger Schüchter, Janowski oder Wallat ausfüllen.

Das Publikum bedankte sich im nicht voll besetzten Zuschauerraum trotzdem mit zufriedenem Beifall; nur die Regie hatte 1-2 Buhrufer. Auf jeden Fall wurde ein interessantes Regie-Konzept vorgestellt. Auf die Fortsetzung mit den anderen Teilen der Ring-Tetralogie darf man in Dortmund gespannt sein.


SEHNSUCHT

09.10.2021 | Corona macht es möglich. Da sucht das Theater Dortmund nach einer Oper mit kleiner Orchesterbesetzung und ohne Chor und herauskommt ein wunderbares barockes Pasticcio, ein Musikstück an dem mehrere Komponisten beteiligt sind. Von Monteverdi über Händel bis hin zu Schnittke aus dem vergangenen Jahrhundert erklingen unterschiedlichsten Arien und Ensembles zu einer Handlung, in der die Sehnsucht einen verbindenden Rahmen setzt.

Ein Mann blickt einsam in seine Vergangenheit zurück und durchlebt diese Zeit noch einmal mit Eindrücken aus seinem Familienleben und der Beziehung zu seiner Verlobten.

Regisseur Andreas Rosar gelingt mit seinem Team eine herausragende Erzählweise dieser Zurschaustellung von Gefühlen, in der er auch die familiären Sehnsüchte jedes einzelnen genau herausgearbeitet wurden. Dina Nur baute auf der Unterbühne einen engen Raum mit Aquarium und Spiegel, der sich durch senken in einen ähnlich gestalteten großen Saal für die Erinnerung an das Vergangene ändert; Einblicke in die Tiefe des Raums und damit der Seele werden möglich. Alexander Djurkov Hotter komplettiert mit seinen stimmigen Kostümen die Erzählweise.

Gespielt und gesungen wird die Person des Mannes von zwei Personen. Einmal die des Träumenden und dann die des in der Vergangenheit lebenden Mannes. David DQ Lee ist der Träumer, ein Countertenor, der nach anfänglicher Unsicherheit mit schön geführter Stimme auch im Spiel Sicherheit gewinnt.

Sein jüngeres Ebenbild aus der Vergangenheit ist Bruno de Sá, ein Sänger mit Sopranstimme, der nicht nur mit seinem sicheren Sopran beeindruck, sondern auch durch die Intensität seines Spiels besticht. Eindrucksvoll ist seine metamorphische Verwandlung von einer weiblichen Figur in die eines jungen Mannes.

Sooyean Lee bietet mit ihrem Sopran eine hervorragende Figur der Verlobten; Hyona Kim mit durchdringendem Mezzosopran ist die selbstbewußte Mutter. Denis Velev als Vater bietet vor allem zu Beginn mit seinem großen, runden Bass die sonore Stimmfarbe im Gesangs-Quintett.

Unter Philipp Armbruster spielen die Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker souverän die Werke von Broschi, Purcell, Vivaldi und Pòrpora. Das alles ein Pasticcio ist, merkt man nicht.

Die wenigen Besucher im großen Dortmunder Opernhaus zeigten sich zur Premiere begeistert und sparten nicht nur mit Zwischenbeifall, sondern bejubelten alle Mitwirkende zum Schlußapplaus. Das Jubeln klang leider durch die verordnete Maskenpflicht etwas gedämpft.


LOHENGRIN

11-2019 |Die Geschichte vom Schwanenritter im Dortmunder Opernhauses wird als Elsas-Traum erzählt. Auf der grundsätzlich schwarz gehaltenen Bühne von Dirk Becker steht links ein kleines Zimmer mit schmalem Bett, Fenster mit weißer Gardine, eine Tür und wenig Utensilien; der Raum wird manchmal ganz weggeschoben oder verbleibt im Hintergrund. Nur im 2.Akt zur Hochzeit kommt ein roter und ein mit Ketten glitzernder Vorhang zum Einsatz. Die Kostüme von Jessica Rockstroh sind schwarz bis auf das weiße Hemd des Bräutigams und das weiße Hochzeitskleid der Braut.

Die Inszenierung von Ingo Kerkhof erläutert das Märchenhafte dieses Traums mit Video- und Texteinblenden. Während Elsa in ihrem Traum vom Retter erzählt, legt sie sich zu Bett, nimmt sein Schwert sich zur Seite, während das Horn an der Wand hängen bleibt. Ihre Gesprächspartner bleiben meist vor dem Raum auf leerer Bühne, denn der Chor erschallt aus dem Zuschauerraum, bis auf die Hochzeitsszene im 2.Akt und der Brautchor. Obwohl die Personenführung statisch wirkt, erzählt sie doch sehr genau die Beziehung zueinander.

Lohengrins Ankunft wird durch ein gleißendes Weiß durch das Fenster angekündigt, während der Schwanenritter ohne Schwan selbst von rechts hinten aus dem schwarzem Bühnen-Raum kommt.
Ortrud und Telramund diskutieren zu Beginn des 2.Aktes ebenfalls in dem Zimmer. Im Brautgemach setzt sich Lohengrin mit Elsa auf die Bettkante; so kann es nichts werden. Zum traurigen Ende zieht sich Lohengrin kauernd in die dunkle rechte Ecke des Zimmers zurück.

Gabriel Feltz dirigiert die Dortmunder Philharmoniker mit klaren breiten Tempi, die das Orchester nahezu fehlerfrei folgen. Nur der Klang von Bühnenmusik aus dem Hintergrund, aus dem Saal und im Spiel mit dem Orchester im Graben wirkt nicht immer ausgewogen.
Der Chor wurde von Fabio Mancini perfekt einstudiert. Sein Klangeindruck aus dem Saal wirkt überwältigend; man hört differenziert die einzelnen Stimmgruppen. Je länger aber die Aufführung dauert, umso mehr merkt man, daß nicht alle Einsätze so präsent klingen dürften. Es gibt Stellen, bei denen sich der Chorklang hinter Orchester und Solisten einfügen sollte. Aber da sind die Chor-Sänger zu direkt im Saal zu hören.

Die Solisten sind teilweise auf allerhöchstem Niveau zu sehen und vor allem auch textverständlich zu hören. Der junge Daniel Behle ist Lohengrin mit schöner klarer Stimme. Bei ihm hat man nie das Gefühl, daß die durchaus schwierige Partie ihm Probleme bereiten könnte, selten, daß er ein Tempo beeinflußt. Die meist langsamen Tempi kann er mit angenehmen Klang gestalten. Er ist ein idealer Schwanenritter.

Ihm zur Seite die Nilsson als Elsa, was will man da noch mehr. Die ebenfalls junge Christina Nilsson ist Lohengrins Idealpartnerin mit großem klangvollen Sopran. Sowohl in den dramatischen als auch in den leisen Stellen erklingt ihre Stimme wunderbar.

Stéphanie Müther ist Ortrud mit großem, dunkel gefärbten Sopran, ohne Kraftanstrengungen für diese böse Gegenspielerin. Besonders stark bewährt sich Joachim Goltz als Telramund mit hellem Bariton, bei dem man scheinbar jedes Wort versteht. Es ist ein eindrucksvolles Paar.

Shavleg Armasi ist Heinrich der Vogler mit strahlender Bass-Höhe. Im dritten Akt wirkt er leider etwas verloren auf der schwarzen Bühne. Ihm zur Seite ist Morgan Moody als Heerrufer mit klangvoller Stimme in Höhe und Tiefe. Mit großer Schmalz-Tolle wirkt er mit manierierter Geste eher als Märchenerzähler für seinen König.

Der Dortmunder Oper ist eine großartige Wagner-Interpretation gelungen.


NEVERLAND

28.11.2019 | Die Dortmunder Oper erarbeitete für das Haus der 'Jungen Oper' eine Fassung von Wagners Lohengrin für Jugendliche. In der Fassung von Francesco Damiani und Alvaro Schoeck wurde Wagners große romantische Oper mit Chor auf eine Spielzeit von 90 Minuten mit vier Solisten zusammengefaßt. Im Orchester spielen 6 Bläser und 6 Streicher unter der musikalischen Leitung von Satomi Nishi, die die Bearbeitung von Damiani nahezu sicher umsetzen; diese Bearbeitung bemüht sich, klanglich dem Original nahe zu kommen. Eine chronologische Abfolge der 3 1/2 Stunden Vorlage wurde nicht immer gewollt; es gab also für das vorbereitete musikalische Gehör zusätzliche Überraschungen. Was man mit Vergnügen hörte, war immer hoch interessant instrumentiert.

Alvaro Schoeck führte auch in seiner Fassung Regie im Bühnenraum von Emine Güner. Vor dem Orchesterpodest gab es eine tiefe Spielebene; dort sitzt Lohengrin zu Beginn im Schlafrock lesend und schlafend. Ein schmalen Grasweg führt mit einer Steinbank um diese tiefe Ebene herum. Die Kostüme von Emine Güner wirken einfach, wie aus dem Fundus gewonnen.

Für das jugendliche Zielpublikum war es aber durchaus sinnvoll, sich auf das Stück vorzubereiten. Da zumeist im Klassenverband die Aufführung besucht wurde, hatten die anwesenden Pädagogen sinnvolle Vorarbeit geleistet und die Zuschauer verfolgten ruhig das Geschehen.

Die Regie von Alvaro Schoeck wirkte nicht nur auf die Jugendlichen zu konventionell. Die Text-Fassung verstand es gut, den Inhalt zu übermitteln. Da wurde kräftig, meist textverständlich, gesungen; man spielte deutlich die jeweilige Situation, aber die Sänger stehen oder sitzen nur auf dem Podest oder auch einmal auf der Bank. Lohengrin beginnt und beendet das Stück sitzend in seinem Sessel. Da passierte zu wenig zum Sehen auf der Bühne.

Es spricht für sich, daß bei der ersten 'großen Aktion', Telramunds Angriff im Brautgemach, etwas Spannung durch Bewegung kam und dies vom Publikum sogleich bejubelt wurde; aber das war schon nahe dem Schluß. Während Lohengrins Gralserzählung spielte der Telramund Darsteller einen großen weißen Schwan und machte so die Kernszene des Stücks auch optisch zu einem Genuß. Zwei Stellen sind aber für eine 90-minütige Erzählung zu wenig.

Große Stimmen, die sogleich Ihre Bewerbung für einen Auftritt auf der großen Dortmunder Hauptbühne abgaben, sangen ihre Partien grandios. Nur wenige Stellen wurden bei drei Sängern für die gespielte Fassung verändert.

Irina Simmes ist Elsa mit jugendlichem Aussehen und leichtem lyrischen Sopran. Hyona Kim ist als Ortrud auch auf der Hauptbühne bereits besetzt und die jugendlichen Zuschauer konnte sich bereits einen Eindruck von ihrer großen, kräftigen Mezzo-Stimme machen. Friedrich Mandla ist Telramund mit einem kräftig, schön klingenden Bariton. Neben seiner Gattin konnte auch er in der gespielten Fassung viel vom Inhalt aus dem 2.Akt mit seinem Gesang verdeutlichen. Diese Szenen wirkten doch etwas lang.

Die interessanteste Leistung kam aber vom Lohengrin, den Fritz Steinbacher mit ansprechend leichten, lyrischen Tenor gestaltet. Hier hört man auch eine oft vom Original abweichende musikalische Fassung, die eine außergewöhnliche Rollengestaltung ermöglicht. Mit seiner lyrisch gesungenen Gralserzählung gestaltet er einen großen, beeindruckenden Schluß.

Das Publikum bedankte sich mit kräftigem Beifall. Der Applausordnung folgend, durften die jugendlichen Besucher etwas länger jubeln, als gewollt. Aber auch das ist Theater.


TURANDOT

22.3.2019 | Vielleicht lag es nur an der Tagesform von Chor, Orchester und musikalischem Leiter, an meinem Sitzplatz oder an meiner Form, aber was anfangs da zu hören war, war laut. Beim ersten Takt gab es gleich einen Patzer.
Gabriel Feltz leitete die Dortmunder Philharmoniker. Was dabei unangenehm auffiel waren die elektronischen Wiedergaben der Bühnenmusik und einiger Chöre, die sich mit den live aufspielenden Philharmonikern schlecht mischten.
Es klang eher an eine Radiosendung aus dem fernen Osten, wo wir auch bei den Regie- und Bühnenbildeinfällen wären.

Tomo Sugao war für die Regie verantwortlich; die Sänger haben alles gemacht, was sie machen sollten. Frank Phillipp Schlößmann baute ein in rot gehaltenen Bühnenraum. Um und auf eine kleine Spielfläche herum tummelten sich Chor und Solisten. Die Seitenwände engten den Spielraum ein. Die Öffnung im Hintergrund zeigte mal eine schöne, sich verändernde Mondsichel, einen großen Drachen und sie bot auch die Möglichkeiten für Auf- und Abtritte, wenn man eine Stufe nutzte. Bereits der erste Auftritt der Turandot dort war so verschenkt.

Vielleicht lag es auch an der Bühnendecke, daß der Chor etwas zu dominant klang. Wände und Decke gerieten nach dem gewonnen Ratespiel aus den Fugen und so auch der Thron des Kaisers.

Für die Minister-Szene im 2.Akt fuhr die Unterbühne hoch; hier scheinen die roten Lampions aus der anderen chinesischen Produktion des Hauses Verwendung gefunden zu haben. Auch für das Schlußduett hob sich noch einmal das Podium.

Über szenische Zusammenhänge und logische Erklärungen brauchte man sich keine Gedanken machen. Die Personenführung war unmerklich, es wurde viel herumgehopst und die Positionsseite gewechselt. Ideen wurden nicht vorbereitet. Wie Calaf mit den Kleidungsstücken umging, bis er im Finale sich vom toten Altoum den Kaisermantel nahm und dessen Herrschaft übernahm, war schon ein Weggucker. Auch für Vater Timur, der dann lieber starb.

Für Turandot gab es im Finale (Alfano gekürzt) keinen Platz mehr im Jubelchor.

Stéphanie Müther ist eine phänomenale Turandot. Höhen und Mittellage scheinen bei ihr kein Problem zu sein. Der Chor bemühte sich allerdings, sie im 2.Akt zu übertönen; da konnte sie aber dann doch noch gegenhalten. Ihre große Stimme klingt immer strahlend schön.
Ihr zur Seite stand Andrea Shin als Calaf und er war der weitere musikalische Höhepunkt des Abends. Sein Tenor klang immer sicher und schön in jeder Lage und zeigte auch keinerlei Scheu bei den dramatischen Stellen.

Wie hochwertig auch die weiteren Rollen besetzt waren, hörte man nicht nur bei Karl-Heinz Lehner als Timur, der seinen großen runden Bass wirkungsvoll einsetzte.

Bei den drei Ministern hörte man nur Wohlklang, was auch an den schön geführten Tenorstimmen von Fritz Steinbacher (Pang) und Sunnyboy Dladla (Pong) lag; da wurde nicht lautstark forciert. Morgan Moodys kerniger Bass konnte sich neben dem Minister Ping auch als Mandarin profilieren, was einen starken Beginn in die Handlung ermöglichte.

Sae-Kyung Rim war die Liu, die mit ihrem kräftigen Sopran fast eine Bewerbung für die andere weibliche Rolle dieser Oper bot. Da hätte ich mir einen mehr lyrisch geführten Ausdruck und Zurückhaltung gewünscht.

Das Publikum zeigte sich im nahezu ausverkauften Dortmunder Haus begeistert.


DAS LAND DES LÄCHELNS

18.1.2019 | Eine der beliebtesten Operetten von Franz Lehár überhaupt birgt zugleich für Bühne und Musik Probleme, die die so schöne Partitur und eine kitschige Handlung offenbaren können.
Nicht so aber im Dortmunder Musiktheater, wo unter neuer Theater-Leitung die Neuproduktion mit beachtlichem Ergebnis aufgeführt wird. Der GMD des Hauses Gabriel Feltz stimmte die Dortmunder Philharmoniker auf einen sauberen, klaren Klang ein, der in der Dramatik und mit dem Schmelz des Werkes eine klangvolle Wiedergabe bot und die Qualität der Partitur hörbar machte.
Zur Problematik des Werkes gehört aber auch die Geschichte. Regisseur Thomas Enzinger erarbeitete geschickt eine Fassung, die die kurz gehaltenen Dialoge im Wechsel mit den musikalischen Teilen der Operette eng verband. Keine Szene wurde zu weit ausgedehnt und keine unsinnigen Regieeinfälle wurden zur Musik ersonnen; denn da gab es ja noch die Tänzer.

Für Bühne und Kostüme war Toto verantwortlich. Auf der Drehscheibe boten drei Treppen zu einer höher gelegene Spielfläche Möglichkeiten zu Hauf, die Personen der Handlung, Solisten, Tänzer, Chor und Statisten, zu bewegen und zu positionieren. Im ersten Teil kamen Prospekte mit Pferdmotiven hinzu; Lisa hatte ja als Reiterin Erfolg, den es zu feiern galt. Im zweiten, chinesischen Teil, beherrschten rote Lampions den Bühnenhimmel. Vor einem großen chinesischen Motiv wurde später ein Gefängnisgitter mit bunten Birnen gehängt. Farbenfrohe Kostüme, wieder rot für China, ergänzten die optische Opulenz und machten mehr Realismus für den Raum überflüssig.

Die Choreografin Evamaria Mayer entwickelte mit ihren fünf Tänzern bereits in der Ouvertüre erklärende Bilder zu Musik und Szene, bei denen die Ballett-Doubles von Lisa und Sou-Chong viel von dem Seelenleben beider verrieten. Nie hatte man den Eindruck, daß in den Szenen, Arien und Duetten der optische Reiz fehlte. Beschwingt durch die Musik ergänzten die Tänzer erklärend die Szene.

Die Personen- und Dialogführung der Protagonisten ist deutlich, übertreibt nicht die zum Schluß auch gefühlvollen Szenen. Martin Piskorski als Prinz Sou-Chong spielt seine Figur zurückhaltend, nahezu unbeweglich und staut seine Gefühle in sich auf. Der Zuschauer kann am Ende eine Träne nicht verdrängen.
Aus gutem Grund wird auf das vorgegebene Finale des ersten Aktes verzichtet. Die Szene zwischen Lisa und Sou-Chong erklärt alles und macht bereits klar, daß ein glückliches Ende nicht zu erwarten ist. Spannend ist festzustellen, daß der gezeigte Konflikt zwischen europäischer und chinesischer Tradition auch heute zu finden ist. Noch vor der Pause wird danach im zweiten China-Akt weiter gespielt.

Auf der Dortmunder Bühne zeigt sich ein Ensemble, das keine Wünsche offen läßt. Martin Piskorski ist ein junger Prinz Sou-Chong der mit großer schlanker Figur nicht nur die Regie dezent umsetzt; seine Tenorstimme klingt so schön, mindestens so schön, wie man sie aus Tonaufnahmen von berühmten Kollegen kennt. Er besitzt eine klangvolle sichere Tenor-Höhe mit einer baritonalen Mittellage, die alle Facetten der Partie, auch die mit dramatischen Akzenten, optimal umsetzen kann; selbst kleine 'Schluchzer' machen seine gesangliche Darstellung zu einem Ereignis. Da freut man sich schon heute, Martin Piskorski in anderen Rollen auf der Opernbühne zu erleben.

Irina Simmes ist Lisa, die ihren großen Sopran sicher, gefühlvoll und strahlend einsetzt. Sie ist mit ihrer schlanken Gestalt die ideale junge Partnerin zum chinesischen Prinzen und versteht es, nicht nur sein Herz zu rühren.
Anna Sohn als chinesische Prinzessin Mi gelingt es mit ihrer schönen, sicheren Stimme, auch in der Schlußszene mit dem Bruder, die Herzen der Zuschauer zu rühren.
Zuvor hat sie das Herz des Grafen Gustav von Pottenstein erobert. Fritz Steinbacher ist ein phänomenaler Gustl, der seinen angeborenen österreichischen Charme sympathisch im Spiel einsetzt. Seine große Tenorstimme ist immer sicher und klingt schöner als nur für eine Bufforolle. Auch bei ihm kann man sich auf andere, auch größere, Tenor-Partien freuen.

Das Publikum im voll besetzten großen Dortmunder Haus zeigte sich, auch beim Zwischenbeifall, begeistert von dem, was man sah und hörte. Neue sympathische Sänger und Sängerinnen haben sich schnell in die Herzen aller gespielt und gesungen. Die Kollegen des Hausensembles entfachten mit ihnen einen glückseligen Operettenabend.


FAUST

9.10.16 | Mit der Spielzeiteröffnung von Gounods Oper hat das Musiktheater in Dortmund eindrucksvoll seine Spitzenposition im Ruhrgebiet bewiesen. Die von mir besuchte Aufführung war gut besucht. Verkaufstechnisch verzichtete man auf den 2.Rang, der nun Platz für den Chor im Finale für das "Gerettet" bot. Dem Publikum wurde allerbeste Opernkost geboten.
Die Inszenierung von John Fulljames spielt in einem Betonkeller, der Licht von Neonröhren und einer großen Öffnung in der Decke bot (Magdalena Gut). Da war nichts von deutscher Romantik, das mußte es für diese französische Oper auch nicht. Für den kurzen Moment der Liebe zwischen Faust und Margarethe kommt durch die Deckenöffnung eine Baumkrone auf 'den Kopf' gestellt mit der Krone zuerst, die die beiden in den scheinbaren Himmel hebt. Später sieht man nur noch einige Zweige herumliegen - da ist nichts mehr zwischen den beiden.
Der alte Faust sitzt am Tropf auf einem Ledersessel. Mephisto ist am Anfang und am Schluß eine rothaarige Krankenschwester. Ein zweiter Faust (David N. Koch) ermöglicht es, dem Zuschauer die Veränderung nach dem Teufelspakt zu verdeutlichen; beide Figuren stehen sich auch gegenüber. Die ganze Geschichte ist ein Traum von Faust, der als alte Person immer auf seinem beweglichen Sessel präsent ist und das Geschehen beobachtet.
Volk, Soldaten und Kinder sind bunt gekleidet, haben Masken, die das Irreale des Traums betonen. Siebel und Wagner bleiben Teil der Masse. Marthe Schwertlein konnte sich Dank der Szene mit Mephisto noch szenisch behaupten.
Die musikalische Leitung hatte Philipp Armbruster, der einen spannenden, teils dramatischen Gounod mit den Dortmunder Philharmonikern, Chor und Solisten bot. Das ging tief 'unter die Haut'.
Eleonore Marguerre gestaltet die Margarethe mit intensivem Spiel und schönster Stimme, ein Ereignis. Aber die Besetzung im Dortmunder Haus hat noch mehr Ereignisse zu bieten.
Lucian Krasznec ist Faust. Neben seiner blendenden Erscheinung bietet er einen wunderschönen, immer sicher wirkenden Tenor, der für diese französische Oper prädestiniert ist.
Die Dortmunder Besetzungsliste bietet gleich drei Sänger für den Méphistophélès auf. Ich hatte überraschend das großartige Vergnügen, Luke Stoker zu erleben. Er ist eine tolle Erscheinung mit großer schlanke Statur, der immer die Bühne beherrscht, wenn man auch nur seine Fußspitze sieht oder seine Stimme hört. Und diese große Stimme ist so was von phänomenal schön. Er hat einen 'satten' Bass und eine angenehm klingende Höhe, alles klingt homogen. Für mich ist er das Ereignis des Abends.
Gerardo Garciacano wartet mit seinen schönen lyrischen Bariton als Valentin auf, Almerija Delic beeindruckt auch mit schöner kräftiger Stimme als Marthe Schwertlein, Ileana Mateescu behauptet sich mit ihrem schönen Mezzo als Siebel. Margarethe verschwindet zum Schluß in den Hintergrund in ein helles himmlisches Licht, während der alte Faust von Mephisto im roten Anzug aus der Versenkung abgeholt wird. Das Musiktheater in Dortmund bietet eine Aufführung, die man unbedingt sehen und hören muß.


Aktuelle Theatertipps


April

JENUFA
Deutsche Oper Am Rhein


März

THE ADDAMS FAMILY
FOLKWANG - Universtät der Künste

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Gerhart Hauptmann Theater


Februar

LUCREZIA BORGIA
Aalto Theater

AIDA
Aalto Theater